Frankreich-Rundfahrt: Auf die feminine Tour
Die Holländerin Marianne Vos gewinnt die diesjährige Tour de France der Frauen. Bei den Radlerinnen spielt Doping kaum eine Rolle.
Marianne Vos hat ihre Chance genutzt. Die Niederländerin sprintete auf den Champs-Élysées als Erste über den Zielstrich und verwies ihre Landsfrau Kirsten Wild knapp auf den zweiten Rang.
Dabei hatte Wild das weiße Giant-Trikot an, das bei den Männern für den Etappensieger von Paris reserviert scheint. Wild gilt mit bislang zehn Saisonsiegen auch als die weibliche Version von Marcel Kittel in der Disziplin Massensprint.
Vos, beeindruckende zwölffache Weltmeisterin auf der Straße, im Gelände und auf der Bahn, dazu noch zweimalige Olympiasiegerin, hatte aber wieder einmal das bessere Ende in einem wichtigen Wettbewerb für sich.
Der Zielsprint auf den Champs-Élysées krönte das Debüt von „La Course by Le Tour“ – dem von Tourorganisator ASO ausgerichteten Frauenrennen nur wenige Stunden vor dem Finale der letzten Etappe der Tour de France der Männer.
Rabobank - war da was?
Vos zeigte sich denn auch der historischen Bedeutung bewusst. „Diese Mengen an Zuschauern sind überwältigend. Es war ein spannendes Rennen mit vielen Attacken. Hier zu gewinnen ist einfach großartig“, meinte die von Rabobank gesponserte Athletin.
Rabobank – war da nicht mal was? Die niederländische Bank unterhielt jahrzehntelang auch einen Rennstall im Straßenradsport der Männer, war dann aber wegen der zahlreichen Dopinggeschichten im Männerradsport überhaupt und auch im eigenen Team ausgestiegen.
Den Frauen gibt die Bank weiterhin Geld; verhältnismäßig unbesorgt, denn Doping gilt im Frauenradsport als marginal, ganz im Gegensatz zum Tretgeschäft der Männer.
Dass ein Frauenrennen nun wieder an ein Männerrennen andockt, darf man auch als Folge des Aufräumens im Profibereich bewerten. Solange Doping dort gang und gäbe war, fielen viele andere Aspekte des Radsports hinten runter.
Die „Grande Boucle féminine" in den 80ern
Interessant ist, dass die letzte Tour de France der Frauen, die noch auf dem Kurs der Männer ausgetragen wurde, im Jahre 1989 stattfand, also zu der Zeit, in denen bei den Männern Epo-Doping in der Experimentierphase war. Die „Grande Boucle féminine“ wurde von 1985 bis 1989 in der Form eines Etappenrennens über die exakte Dauer der Tour de France der Männer ausgetragen. Es gab ein paar Ruhetage mehr, die Etappen waren kürzer und weniger schwer.
„Wenn die Männer vier Berge nehmen mussten, so gab es für uns zwei. Aber es war großartig, die gleiche Kulisse wie die Männer zu haben“, erinnert sich die Australierin Dona Rae-Szalinski, die in den 80er Jahren an diesem Wettbewerb teilnahm.
In einem Text des Branchendiensts cyclingnews bedauert sie, dass diese Erfahrungen heute „kaum gewürdigt“ würden. „Es geht mir nicht darum, uns wichtig zu nehmen. Aber es sollte beachtet werden, dass das ein erfolgreiches und sehr spannendes Sportereignis war“, meint sie.
Nun ja, mit der Spannung war es am Ende nicht mehr weit her, als Jeannie Longo reihenweise diesen Event gewann. Das Rennen wurde dann in den August verlagert und an ganz anderen Orten ausgetragen. Später änderte sich auch der Name. Die ASO, privatwirtschaftlicher Ausrichter der Männer-Tour, verbot den Organisatoren die Verwendung des Begriffs Tour de France. So kommt es nun auch zu der etwas verkorksten Bezeichnung „La Course by Le Tour“.
Immerhin tut sich was
Ob eine Rückkehr in die alten Zeiten vorgesehen ist, war in Paris nicht zu erfahren. UCI-Präsident Brian Cookson freute sich jedenfalls über „diesen guten Schritt zur weiteren Entwicklung des Frauenradsports“. Cookson hat sich dies – neben der Dopingeindämmung bei den Männern, als wichtigsten Punkt auf seiner Präsidenten-Agenda notiert.
Wie weit der Frauen- vom Männerradsport noch entfernt ist, zeigte aber die Siegerehrung. Als Kittel, Nibali & Co. auf die Bühne gerufen wurden, war von Vos und Wild schon nichts mehr zu sehen. Rae-Szalinski erinnert sich noch daran, dass zu ihren Zeiten Tour-Profi Phil Anderson mit einer Champagnerflasche zu den Frauen herüberkam.
Immerhin war das Preisgeld schon (fast) auf Augenhöhe. Während Kittel für seinen Etappensieg 8.000 Euro Prämie einstrich, wurden Vos 6.000 gegeben. Das ist nicht auf Höhe des Gleichberechtigungsdiskurses, aber Radsport ist eben auch eine ziemlich alte Disziplin. Zumindest gibt es eine Entwicklung.
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