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„Frankfurter Rundschau“ insolventDie Geduld verloren

Anzeigen-Einbrüche und sinkender Auflage: Die Eigentümer der einst stolzen „Frankfurter Rundschau“ möchten die Zeitung nicht mehr am Leben halten.

Um gegen eine Rede des rechtsradikalen Verlegers Gerhard Frey im Jahr 1964 zu protestieren, lesen die Anwesenden die „FR“. Bild: dpa

Schon die Uhrzeit hatte die Mitarbeiter bei der Frankfurter Rundschau stutzig gemacht: eine Betriebsversammlung um 15 Uhr? Mitten in der Hochphase der Zeitungsproduktion für den kommenden Tag? Es musste etwas Ernstes zu verkünden geben.

Und es ward Ernstes verkündet: Die Rundschau ist pleite. Das Druck- und Verlagshaus (DuV) Frankfurt am Main, zu dem auch die Zeitung gehört, hat am Dienstagmorgen wegen drohender Zahlungsunfähigkeit Insolvenz angemeldet. Als vorläufiger Insolvenzverwalter ist der Frankfurter Rechtsanwalt Frank Schmitt eingesetzt worden.

Für Verlagsgeschäftsführer Karlheinz Kroke „die schwärzeste Stunde“, wie er auf der Versammlung sagte, auch wenn der Betrieb zunächst wie bisher weitergehen soll.

136 Millionen Euro

Auch in Berlin, wo 44 Redakteure der FR in einer gemeinsamen Redaktion mit der Berliner Zeitung arbeiten, wurde eine Betriebsversammlung einberufen. Anwesenden zufolge gab dort der Vorstand der Verlagsgruppe M. DuMont Schauberg (MDS), Franz Sommerfeld, eine Erklärung ab.

136 Millionen Euro habe MDS demnach in die FR gesteckt, nun gebe es keine Perspektive mehr für das traditionsreiche Blatt. MDS wolle lieber seine übrigen Blätter stärken, statt weitere Millionen in die FR zu stecken.

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Ein Rückgang beim Anzeigenverkauf von 15 Prozent seit Januar 2012 habe das Management überrascht. Sommerfeld soll demnach mit einem Verlust von 16 Millionen Euro für das laufende Geschäftsjahr rechnen. Er gehe davon aus, dass die FR noch bis Januar 2013 erscheinen werde.

Die Folgen für die Belegschaft seien noch offen, die Pläne des Insolvenzverwalters sollen den Beschäftigten innerhalb der nächsten 14 Tage offengelegt werden. Sicher ist: Die rund 500 Mitarbeiter des DuV erhalten von nun an für drei Monate Insolvenzgeld von der Bundesagentur für Arbeit.

Doch keine Einstellung der FR?

Am Druck- und Verlagshaus ist neben MDS (50 Prozent und eine Aktie) auch die SPD-eigene Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft DDVG (40 Prozent) beteiligt. Die Eigner gleichen seit Jahren die anfallenden Millionenverluste aus. Alle Gerüchte, die FR werde bald eingestellt oder erscheine demnächst nur noch im Internet und auf Tablets, wurden dennoch stoisch zurückgewiesen.

Noch im Mai dieses Jahres hatte Verlagsgeschäftsführer Karlheinz Kroke verkündet, dass er auf eine baldige Patronatserklärung der Eigentümer hoffe, die den Fortbestand der Rundschau bis Ende 2015 garantiert.

Auch DDVG-Geschäftsführer Jens Berendsen sagte noch im Juni, dass man Geduld mit der FR habe. Doch schon damals hatte die SPD-Bundesschatzmeisterin Barbara Hendricks gesagt, dass im klassischen Tageszeitungsgeschäft „kein Silberstreif am Horizont“ zu erkennen sei.

Dabei hat die Belegschaft der von jeher als eher links geltenden Tageszeitung immer wieder harte Einschnitte verkraften müssen: Nachdem 2006 DuMont die Mehrheit übernommen hatte, wurde die FR im Jahr darauf auf das kleine Tabloid-Format gestutzt, das zuvor in Deutschland eigentlich den Boulevardblättern vorbehalten war.

Bereits im September 2010 – wenige Wochen nach dem Verkaufsstart von Apples iPad in Deutschland – erschien die Rundschau mit einer viel gelobten App für den Tablet-PC.

Regionalzeitung mit Berliner Mantelteil

Im letzten Jahr verschmolz dann Verleger DuMont die überregionalen Redaktionen von Berliner Zeitung und FR in der Hauptstadt. Von damals 190 Redakteuren der FR zogen 44 nach Berlin um – und ebenso viele wurden entlassen.

Die Rundschau war von da an nur noch eine Regionalzeitung mit einem Mantelteil aus Berlin. Gleichwohl sind die 44 dorthin gezogenen Redakteure Angestellte des DuV – und müssen um ihren Job fürchten.

Der Konsolidierungsplan von DuMont – eine Redaktion beliefert zwei Zeitungen, die Synergien ergeben ein solches Sparpotenzial, dass die Rundschau schon 2013 eine schwarze Null schreibt – ist gescheitert.

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7 Kommentare

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  • C
    CJB

    Leider wundert mich das nicht, es ist eher verwunderlich, daß die FR noch existiert. Denn durch die Veränderung des Formats ist ihr bereits viel Format abhanden gekommen. Man kann keine Tageszeitung auf Bravo-Größe bringen, ohne sich selber ein Stück dieser "Zeitschrift" zu nähern. Als Alternative gäbe es eine ganze Menge anderer Formate, aber es sollte ja mickrig sein. Schon die Merkwürdigkeit, daß einige Teile der FR ("Bücher" genannt) mit Klammern geheftet sind, andere nicht, die irritierenden Verwerfungen im Format, wenn ohne Rücksicht auf den starken Falz Bilder zu einem Viertel darüber hinweggehen, sind ein Affront gegen den Leser.

     

    Noch schlimmer wird es dann aber inhaltlich, wenn zwar einerseits sehr gut und aus eher linker Perspektive Themen beleuchtet werden, die man woanders so nicht findet, auf der anderen Seite aber unreflektiert Propaganda - oh, ich meine natürlich PR - von Dritter Seite einfach eins zu eins abgeschmiert wird.

    Der traurige Höhepunkt dieser journalistischen Wertarbeit war ein "Artikel" vom 11.04.12, der lediglich eine Zusammenfassung eines Hetzartikels aus dem Flaggschiff der Springerpresse darstellt.

    Hier der Link: http://www.fr-online.de/arbeit---soziales/bundesagentur-fuer-arbeit-rekord-bei-hartz-iv-sanktionen-gegen-arbeitsunwillige,1473632,14793734.html

     

    Interessant zu wissen, daß für dieses journalistische Glanzstück Bettina Vestring zeichnet, leitende Politik-Redakteurin bei der Berliner Zeitung.

    Und so kann ich nicht besonders traurig darüber sein, wenn es mit der FR zuende geht, ihr journalistisches Format fängt ja bereits an sich zu zersetzen - was mir wirklich stinkt.

     

    Dazu kann man nur noch den bekannten Spruch bringen, daß der Fisch bekanntlich am Kopf zuerst beginnt zu faulen, hier aus Richtung der Verlags- und der Redaktionsleitung. Und auch wenn mir die KollegInnen unten nicht wirklich an der Misere schuld zu sein scheinen - ein Gutes mag es haben, wenn sie ihrer Arbeit ledig werden: Sie erfahren das verbrecherische Hartz4-System am eigenen Leib und werden künftig für offizielle, schönfärberische Propaganda in diesem Themenbereich immunisiert sein.

  • I
    ich

    Das ist doch nur die überfällige Konsequenz. Die FR ist schon lange tot. Wer als linke Zeitung Mosebach'schen Unsinn druckt, der muss sich nicht wundern, wenn ihm die Leser davonlaufen.

  • JK
    Jürgen Kahlert

    Selbst die FAZ trauert um die links-grüne FR.

    Wirklich noch linksgrün oder linksliberal?

    Irgendwie zeigten die sich über die Jahre veränderten Eigentumsverhältnisse ihre redaktionelle Wirkung.

    Ich war über 30 Jahre Abonnent der FR, aber das

    Niederschreiben von Andrea Ypsilantis Versuch einer

    rot-rot-grünen Koalition in Hessen,im Konzert mit

    der rechten Journaille, hatte mir den Rest gegeben.

  • G
    georg_jeschonneck

    Es ist ein bißchen schade um die FR. Immerhin ist ihr die Le Monde vorangegangen, allerdings mit 400 Mio. € Verbindlichkeiten noch stärker verschuldet.

    Wo aber bleibt der deutsche Qualitätsjournalismus ? Das weiß er selbst nicht so genau und zieht sich bis dahin in die Bleiwüsten zurück. Eine Bleiwüste war die FR früher streckenweise auch - leider. Dagegen hilft die Typo und ein ansprechendes Layout. Das konnten die Frankfurter jedoch nicht besonders gut und es blieb bei Bleiwüsten, immerhin manchmal s o g a r mit Zwischenüberschriften (!). Nur die ZEIT ist noch archetypischer in der Hinsicht. Und wird unlesbar genau dadurch. Und verliert Leser, die nicht das ganze Wochenende Textinhalte suchen wollen.

     

    TAZ, du könntest mit etwas Einfallsreichtum die FR-Lücke schliessen. Willst Du aber nicht, zuviel Studis, ich weiß. Es bleibt also bei Krokodilstränen und dem Verweis auf die kritische Hinterfragung der Demokratie. Ich meine, diesen Popanz kann man sich dann auch sparen. Nur konkretes Planen, Investieren und Handeln kann Gegenöffentlichkeit schaffen und erhalten. Zaudern nutzt niemandem.

  • FW
    Frankfurt wird wahrhaftiger

    Ein linkes MultiKultiPropagandablatt weniger! I like!

  • PB
    Paddy Bauer

    Nicht nur für den gesamten Zeitungsbestand der BRD ein schlimmer Verlust, sondern auch und vor allem für uns in Frankfurt lebende Menschen. Klar, die FR hat ihr linkes Profil nicht mehr so deutlich gezeigt und hat sich vor allem hinsichtlich kritischer Berichterstattung auch einige Fehler die letzten Jahre erlaubt. Die Alternative ist jedoch deutlich schlechter, bzw. einfach erzkonservativ. Ähnlich bei den Wahlen in den USA ist die FR sicher nicht das, was ich mir unter einer "perfekten" Zeitung vorstelle. Gibt es wohl auch gar nicht. Aber gerade im Hinblick auf die Alternativen ein herber Verlust für die Frankfurter öffentliche Meinungsbildung.

  • M
    Mateusz

    Eine unnütze linke Zeitung und ein Sprachrohr für die SPD weniger. Gut so. Es sollten weitere folgen ;-)