Frankfurter OB über SPD und Grüne: „Steinbrück unterstützt uns“
Seit fast einem Jahr regiert Peter Feldmann (SPD) als Oberbürgermeister in Frankfurt am Main – gegen die schwarz-grüne Koalition im Rathaus.
taz: Herr Feldmann, Sie sind nun seit fast einem Jahr Oberbürgermeister von Frankfurt. Eine erste Bilanz?
Peter Feldmann: Es hat am Anfang besonders bei den Wahlverlierern emotional gehakt. Dass ich als Außenseiter gewählt wurde, war nicht der Plan der schwarz-grünen Koalition in Frankfurt …
… mit der Sie seither einen Machtkampf austragen – vor allem aus Gründen der beidseitigen Profilierung?
Inhaltlich sind wir nicht so weit auseinander. Für meine Schwerpunktthemen – der Wohnraum, der Kampf gegen Kinderarmut für ein würdiges Leben im Alter, die Absenkung des Fluglärms und die Internationalität der Stadt – bekomme ich Zuspruch. Dieser „Machtkampf“ ist eher ein Wettbewerb, wer das Ganze erfunden hat und wer es am besten umsetzt. Insofern habe ich mein Ziel erreicht, Bewegung in die Sache zu bringen. Trotz des begrenzten Einflusses eines OB kann man mit Worten viel bewegen, wenn man Inhalte zuspitzt.
Was haben Sie denn konkret erreicht?
Ich habe vor allem die Diskussion über den Wohnungsbau vorangebracht. In Frankfurt gibt es ein Defizit von 17.500 Wohnungen – es besteht also extremer Handlungsbedarf. Die Gelder für die städtische Wohnungsbauförderung wurden bereits von 100 auf 200 Millionen Euro und die Mittel der Wohnungsbaugesellschaften von uns als Stadtregierung um insgesamt über 500 Millionen Euro erhöht.
54, wurde am 25. März 2012 überraschend und mit deutlicher Mehrheit zum Oberbürgermeister von Frankfurt/Main gewählt. Am 1. Juli 2012 trat er das Amt an. Seither regiert der SPD-Linke gegen eine schwarz-grüne Koalition.
Das wird nicht reichen. In Frankfurt fehlen knapp 40.000 Sozialwohnungen, die Zahl der Obdachlosen steigt, die Einwohnerzahl wächst. Gleichzeitig stehen 2,1 Millionen Quadratmeter Bürofläche leer.
Die Maßnahmen dagegen dauern eben. Wir müssen außerdem noch radikalere Schritte gehen, etwa Büroraum in Wohnraum umwandeln. Und man wird zusätzlich in der Stadt vorsichtig nachverdichten und am Stadtrand auf Äckern im maximalen Konsens mit den Bürgern neu bauen müssen. Außerdem muss uns der Bund mehr unterstützen.
Sie wollen mehr Geld.
Am Montag habe ich gemeinsam mit den Chefs der fünf größten deutschen Städte eine Erklärung veröffentlicht, in der wir fordern, dass der Bund die Mittel für die Wohnraumförderung auf eine Milliarde jährlich verdoppelt. Alleine können wir dieses Problem nicht bewältigen.
Die Presse rügt, dass Sie das Bürgertum und die Wirtschaft vernachlässigen. Um Ihr linkes Profil zu schärfen?
So wird es oft verstanden, wenn ich nicht beim Weltwirtschaftsforum gewesen bin, sondern bei Stadtteilfesten. Aber ich sehe das nicht so. Klar kümmere ich mich um die Wirtschaft, etwa als Aufsichtsratsvorsitzender der Wirtschaftsförderung, der internationalen Marketinggesellschaft und auch von der Alten Oper sowie der Schirn.
Ihre Forderung nach einem Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr auf dem Frankfurter Flughafen ist in der Landes-SPD nicht mehrheitsfähig. Sind die vom Fluglärm geplagten Menschen von Ihnen enttäuscht?
Letzte Woche habe ich die erste gemeinsame Veranstaltung mit Fluglärmgegnern organisiert. Mit der Landes-SPD habe ich mich geeinigt, dass die Lärmobergrenze der zentrale Hebel ist. Ich werde mich auch weiterhin für eine längere Nachtruhe starkmachen.
Demnächst stehen in Frankfurt die Blockupy-Proteste an. Die Organisatoren befürchten, dass die Stadt wie 2012 die Proteste verbieten wird. Würden Sie das verhindern?
Das ist schon verhindert. Es wird Platz für Demos, Zelte und Veranstaltungen geben. Das wird ein ganz anderes Szenario sein als im letzten Jahr. Wir wollen zeigen, dass Frankfurt seiner liberalen Tradition treu ist und man hier gesellschaftskritisch demonstrieren darf.
Wenn Frankfurt so liberal ist, warum wurde dann immer noch kein Ersatzobjekt für das geräumte Institut für vergleichende Irrelevanz gefunden?
Ich werde alles dafür tun, dass die Diskussion, die von den IvI-Leuten geführt wird, weitergeht. Womöglich kann es auch eine gemeinsame Veranstaltungsreihe geben.
Die Aktivisten wollen aber Räume, die sie selbst bespielen können.
Wir halten nach solchen Räumen Ausschau. Zunächst geht es darum, dass ein herrschaftsfreier Diskurs, in dem selbst radikalste Forderungen gestellt werden dürfen, unzensiert stattfinden kann.
In diesem Jahr wird in Hessen und im Bund gewählt. Sind SPD und Grüne in Frankfurt nicht zu zerstritten für einen rot-grünen Lagerwahlkampf?
Ich bin auf Landes- wie auf Bundesebene für eine rot-grüne Koalition. Es wird im Vorfeld der Wahlen eine gemeinsame rot-grüne Veranstaltung in Frankfurt geben. Aber Teile der Grünen haben sich auf lokaler Ebene sehr stark an die CDU gewöhnt – inklusive der Inhalte, beispielsweise die lange Zeit gemeinsam verabredete Ausklammerung des Themas „Flughafenausbau und Fluglärm“ aus der Stadtpolitik – bis hin zur Entscheidung der Spitzenfunktionäre, während der OB-Wahl den rechtskonservativen CDU-Kandidaten zu unterstützen. Ich hoffe, dass die Frankfurter Grünen sich stärker in Richtung Landes- und Bundespartei entwickeln und nicht umgekehrt.
Können Sie sich als SPD-Linker mit Kanzlerkandidat Peer Steinbrück identifizieren – zumal Sie ein Kritiker der Agenda 2010 sind, für die Steinbrück steht?
Ich will den Menschen ihre alte SPD mit klarer sozialpolitischer Orientierung wiedergeben. Ich kann aber unterscheiden zwischen Dingen, die in der Vergangenheit gelaufen sind, und dem, was ist. Steinbrück unterstützt uns hier in Frankfurt massiv. In der Frage der Mietendeckelung hat er die radikalste Position.
Also keine Kritik an Hartz IV?
Doch, das ist ein problematisches Modell, weil es Menschen über einen Kamm schert. Auch die Sanktionspolitik stört mich.
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