Frank Zander wird 80 Jahre alt: Großmaul mit Herz
Zander ist ein Mann, wie ihn die Ur-Berliner lieben. Jenseits zweifelhafter Sangesqualitäten hat er viel für die Obdachlosen der Stadt getan.
Er hat mit seiner kratzigen Stimme Pop produziert, nie feinmaschig gewirkt, immer irgendwie Tonspuren mit sprücheklopferischem Potenzial – wie der Berliner eben so im Durchschnitt ist: Nötigenfalls lieber nie als selten unverschüchtert, angeberisch, irgendwie auch schüchtern, aber das mit lautstarker Beherztheit. Und, klar, nie auf den Mund gefallen.
Zander ist wahrlich kein Soziopath und stellt in jeder Eckkneipe binnen weniger Minuten eine ganze Batterie neuer Lebensfreunde her. Er ist notorischer Fan von Hertha BSC, versteht es, aus jedem privaten Lebensereignis (Mietprobleme, familiäre und gesundheitliche Schwierigkeiten) jede Menge Schlagzeilenstoff zu machen, hat aber eine politisch-kulturelle Leistung vollbracht, die nicht aus jeder Metropole überliefert ist: In Berlin sind Obdachlose und Bettler*innen vergleichsweise stärker gelitten als anderswo. Die Atmosphäre in der Stadt, zu geben, nicht nur genervt zu sein, manchmal auch winters Wohnungslose im eigenen Hausflur übernachten zu lassen, ist auch diesem Deutschpopmacher zu verdanken.
Gänsebraten für die Wohnungslosen
Jahr für Jahr lädt er in die nicht besonders schöne Hotelburg Estrel nach Neukölln – zur Weihnachtsfeier für und mit Treber*innen, Bedürftigen und Gestrandeten. Zander vermag in Berlin zu mobilisieren, eine Weltberühmtheit in der Stadt, die mit dieser karitativen Aktion wesentlich dazu beiträgt, das Problem der prinzipiellen Verlorenheit in der Metropole, eben Obdachlosigkeit, freundlich und mitreißend zugleich zu beantworten. Dass es bei diesen Festen nicht nur Schmalzstullen gibt, sondern Festliches, Gänsebraten, Rotkohl, Knödel und jede Menge Soße zum Beispiel, versteht sich bei ihm von allein.
In jüngerer Zeit musste er mehr denn je seine Versehrtheit anerkennen, öffentlich berichtete er, an Prostatakrebs erkrankt zu sein, mit bislang gutem Verlauf. Er hat immer noch genug Energie, um das Leben, das er, so sagte er mal, „nie satt haben“ werde, weiterhin in seiner Weise aufzumischen. Heute kann er seinen 80. Geburtstag feiern, natürlich in der einzigen Stadt, die überhaupt zählt, Berlin nämlich. Dass sein Herz am chronisch erbarmungswürdigen Fußballverein Hertha BSC hängt, dankt ihm das klassische, eingeborene, nicht kulturszenige Berlin sowieso – und gratuliert ihm von Herzen: einem Sohn der weniger wohlgelittenen Kieze, in dem sich gar nicht so wenige wiedererkennen möchten.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?