Fragwürdige Besetzung: Im Expertenrat für Klimafragen gibts drei Neue und zwei Alte
Die Bundesregierung besetzt das wichtige Kontrollgremium neu. Allerdings darf der Geschäftsführer eines umstrittenen Instituts bleiben.

Ein Klimawissenschaftler ist nicht dabei. Das findet Niklas Höhne, Professor und Gründer des NewClimate Institute, nicht so schlimm. Es seien eben „sektorale Experten“. Und der Rat müsse bilanzieren, ob die politischen Maßnahmen ausreichen, das Klimaziel – minus 65 Prozent bis 2030 – zu erreichen.
Er sagt aber auch: „Mir fehlt in diesem Gremium jemand, der den Überblick über das große Ganze besitzt.“ Und: „Es gibt keinen Prozess, bei dem man sich bewerben könnte.“ Interessant sind die beiden Mitglieder, die schon in der Vergangenheit dem Gremium angehörten: die Volkswirtschaftlerin Barbara Schlomann und Marc Oliver Bettzüge. Letzterer ist Direktor des Energiewissenschaftlichen Institut (EWI) an der Uni Köln.
Dieses ist für Gutachten bekannt, die als „Gefälligkeitsgutachten“ kritisiert werden – etwa für die Gas- und Kohlelobby oder die Bundesregierung: Aufgrund seiner „Energieszenarien für ein Energiekonzept der Bundesregierung“ verlängerte 2010 die Regierung aus Union und FDP die Laufzeiten der deutschen AKWs. Aktuell hat Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) ein Gutachten beim EWI bestellt.
Bitter nötige Kontrolle
„Ich erwarte, dass es keine Bestellgutachten gibt“, sagt Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Bislang habe sich der Expertenrat „in der Sache ausreichend deutlich geäußert“. Auch der BUND bilanziert eine „kritische Einordnung politischer Entscheidungen“, wie Geschäftsführerin Verena Graichen erklärt: „Es ist entscheidend für den Klimaschutz in unserem Land, dass die neuen Mitglieder diesen Ansatz weiterverfolgen.“ Aktuell gehe die Regierung selbst nämlich in die falsche Richtung: mehr fossiles Erdgas, mehr fossile Subventionen, weniger Erneuerbare Energien und weniger Geld für den Klimaschutz.
„Die Besetzung des Expertenrates regelt Paragraph 11 des Klimaschutzgesetzes“, erklärt ein Sprecher des Bundesumweltministeriums gegenüber der taz. Demnach müssen „sachverständige Personen verschiedener Disziplinen“ vertreten sein, zudem wird eine Geschlechterparität angestrebt. „Das Vorschlagsrecht liegt beim Bundesumweltminister, für die Einsetzung ist aber ein Beschluss des ganzen Kabinetts notwendig“, so der Sprecher. Eine einmalige Wiederernennung sei möglich.
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