Fragen und Antworten zur Wulff-Affäre: Gute Freunde und Weihnachtsrede
Ob Christian Wulff gegen Gesetze verstoßen hat, ist stark umstritten. Klar ist aber: Der Bundespräsident kann nicht zum Rücktritt gezwungen werden.
Kann Christian Wulff zum Rücktritt gezwungen werden?
Nein. Ein Bundespräsident kann weder entlassen noch abgewählt werden, er kann nur aus eigenem Antrieb zurücktreten. Die einzige Möglichkeit, ihn seines Amtes zu entheben, wäre durch eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, die von einem Viertel der Mitglieder von Bundestag oder Bundesrat angestrengt würde. Um so ein Verfahren in Gang zu setzen, bräuchte es außerdem eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag oder im Bundesrat. So etwas hat es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nie gegeben.
Hat Christian Wulff gegen Gesetze verstoßen?
Das ist umstritten. Wulff ist mit dem Ehepaar Geerkens schon sehr lange befreundet, da war er noch nicht Ministerpräsident. Wenn ihm sein Privatkredit lediglich aufgrund dieser Freundschaft gewährt wurde - und nicht "in Bezug auf das Amt" -, dann hat Wulff nicht gegen das niedersächsische Ministergesetz verstoßen. Umstritten ist vielmehr, ob Wulff vor dem Landtag in Hannover die ganze Wahrheit gesagt hat, als er dort angab, keine geschäftlichen Beziehungen mit Egon Geerkens zu unterhalten. Bis heute verteidigt sich Wulff damit, er habe den Privatkredit von dessen Ehefrau Edith Geerkens erhalten. Der Spiegel berichtete aber, der Unternehmer habe den Kredit eingefädelt und besitze eine Vollmacht über das Konto seiner Ehefrau. Damit verschwimmen die Grenzen.
Wie kam die Affäre ans Licht?
Schon vor einem Jahr, im Dezember 2010, beantragte der Spiegel beim Amtsgericht Burgwedel Einsicht ins Grundbuch der Stadt. Grund waren Gerüchte, die Wulffs hätten ihr Eigenheim im Jahr 2008 zum Vorzugspreis erworben. Doch erst nach einer Beschwerde beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe gab dieses im Oktober 2011 die Akten frei. Aus denen ging hervor, dass die Immobilie durch einen Kredit finanziert worden sei. Bild fragte beim Bundespräsidialamt nach, bei wem sich Wulff das Geld geliehen hatte - und preschte dann vor.
Wer wäre Wulffs Nachfolger?
Sollte Wulff sich zum Rücktritt entschließen, käme sein Stellvertreter zum Zuge. Das ist der Präsident des deutschen Bundesrates - und dieses Amt hat derzeit der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer inne. In einem solchen Falle müsste Seehofer dann wohl auch die traditionelle Weihnachtsansprache des Präsidenten halten. Spätestens nach 30 Tagen müsste die Bundesversammlung zusammenkommen und einen Bundespräsidenten wählen. Da Union und FDP dort allein auf keine Mehrheit mehr kämen, müssten sich in diesem Falle Union und SPD auf einen Kandidaten einigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative