piwik no script img

Frage der NachhaltigkeitÖkostrom ist nicht gleich Ökostrom

Eine Bilanz des Vergleichsportals Check24 ist Anlass für eine Diskussion, wie unterschiedlich die Ansprüche an nachhaltige Energie sind.

Kohlestrom und Ökostrom sind manchmal nicht so getrennt wie angenommen Foto: dpa

BERLIN taz | „Bei der Wahl eines Ökostromtarifs ist für viele Kunden der Preis wichtiger als der Umweltaspekt“, dies ist die Botschaft eines der größten Internetvergleichsportale Deutschlands, Check24. Der Webseitenbetreiber, der sich über Provisionen bei Vertragsabschlüssen auf seiner Seite finanziert, hat bilanziert: in den letzten drei Jahren haben sich zwar sechzig Prozent seiner Kunden bei einem Strombetreiberwechsel für Ökostrom entschieden, jedoch wählten dabei nur vier Prozent nachhaltigen Ökostrom.

Laut Check24 setzten sich nachhaltige Ökostromanbieter für den lokalen Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland ein. Von dem Vergleichsportal werden Anbieter nur als nachhaltig gewertet, wenn sie mit Labeln namens „OK-Power“ oder „Grüner Strom“ versehen wurden.

Für Birgit Holfer, Energieberaterin der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt bleibt der Verbraucher trotzdem unsicher: „Das Problem ist, dass sich viele Kunden in dem Label-Dschungel nicht mehr auskennen.“ Es gebe keine eindeutige Definition für einen Öko-Stromanbieter. So könnten viele Verbraucher nicht differenzieren zwischen Anbietern, die ihnen Ökostromtarife zwar offerieren, aber gleichzeitig noch fossilen oder nuklearen Strom verkaufen und reinen Ökostromanbietern.

Ökostrom nicht klar definiert

„Sie denken wo Ökostrom draufsteht, ist auch Ökostrom drinnen. Das ist aber nicht immer so“, erklärt Holfert. Dabei seien die Tarife oft gar nicht so unterschiedlich, meint die Expertin: „Einen zertifizierten Ökostromtarif und einen gewöhnlichen Ökostromtarif trennen häufig nur ein paar Cent pro Kilowattstunde“ Für einen vierköpfigen Haushalt rechnet die Expertin mit Stromkosten von etwa 1000 Euro pro Jahr. „Aber die Preise schwanken stark“, ergänzt sie.

Dem schließt sich Volker Quaschning an. Für den Professor für Regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin ist die Entscheidung für den nachhaltigen Ökostrom eine bewusste: „Kunden von nachhaltigen Ökostrom haben sich mit der Materie auseinandergesetzt. Für gewöhnliche Stromkunden sind Ökostromtarife schwer zu bewerten.“ Wirklich nachhaltigen Strom bieten aus seiner Sicht nur vier Anbieter an: EWS Schönau, Greenpeace Energy, Naturstrom AG und Lichtblick.

Tim Loppe, Sprecher von der Naturstrom AG, die mit dem Label „Grüner Strom“ ausgezeichnet wurde, bleibt angesichts der Zahlen von Check24 entspannt: „Für uns sind die Kunden der Vergleichsportale nicht ausschlaggebend. Wichtiger sind Empfehlungen und Mund-zu-Mund Propaganda.“ Dem schließt sich auch Anke Blacha von Lichtblick an: „Zwar sind die Ökostrom-Preise oft ähnlich, aber wir können keine Sonderangebote bieten. Daher sind wir bei den Vergleichsportalen weit unten.“

Anfang August hatte eine Studie des Branchenmagazins Energie & Management ergeben, dass 2015 4,4 Millionen Privatkunden Ökostrom nutzten. Lichtblick hatte 500.000 Kunden, Naturstrom 200.000. Der Anteil Erneuerbarer Energien am deutschen Strommix lag 2015 bei 29 Prozent.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Ein Trauerspiel mit den grün-alternativen Schwätzern und Schwätzerinnen (Teil 2 von 2)

     

    Welche Rolle spielen hier die Lehrerinnen und Lehrer in der Schule?

    Überhaupt das ganze Erziehungswesen? (und Eltern, die eben genau dieses

    zulassen oder gar gutheißen?)

    Lehrerinnen und Lehrer hinken zu oft ihrer besonderen (!) Verantwortung sehr weit

    hinterher, auch weil sie selbst häufig charakterlich sehr defizitär sind

    und daher unter anderem z.B. eine ausgeprägte "Geiz ist geil" Mentalität pflegen.

     

    Sie sind in oft in ihrer Wahrnehmung und ihrem Charakter so eingeschränkt, dass sie

    ein temporäres Glücksgefühl beim Kauf von (vermeintlich) billigem "Plutonium-Strom"

    wichtiger finden, als einen elektrischen Strom, der ihren eigenen(!) Maßstäben

    (wie z.B. Vernunft, Gesundheit, Friedlichkeit, Nachhaltigkeit etc.) gerecht wird.

    Das ist "megamäßige" Heuchlerei. Es ist als drehe sich mir der Magen um.

    Man möchte fliehen, aber wohin?

    Die armen Menschen, die wegen einer Krebserkrankung viel zu früh sterben oder einen

    geliebten Menschen viel zu früh verlieren!

    In einem gut recherchierten Wortbeitrag im Radio hies

    es einmal: "Schule ist ein denkbar schlechter Ort um Demokratie zu lernen"

    Lernen die Menschen "von klein auf", dass sie sowieso nicht viel machen können und

    kaum eine Mitbestimmung haben können?

    Lernen die Menschen, dass andere für sie die Arbeit erledigen bzw. erledigen sollen?

    Schule hat immer noch sehr viel damit zu tun, Kinder und Jugendliche zu etwas zu zwingen.

    Der Hauptgrund ist allgemeine Angst.

    Gruppen, egal welcher Größe, sehen sich in Konkurrenz zu anderen Gruppen

    ...Eine Erklärung würde hier zu umfangreich.

     

    Ich wünsche mir mehr Menschen, die sich darüber im Klaren sind, dass durch bloßes

    Reden noch nie "Weizen gesäht und Brot gebacken wurde" und Demokratie ganz besonders

    zur aktiven Mitgestaltung verpflichtet, anstatt alle vier Jahre die Verantwortung, an, in vielen Fällen,

    höchst zweifelhafte Charaktere, abzugeben.

  • Ein Trauerspiel mit den grün-alternativen Schwätzer und Schwätzerinnen (Teil 1 von 2)

     

    Gemäß jahrelangen Meinungsumfragen sind ca. 67% der Deutschen gegen Atomkraft.

    Ein eindrucksvolles Beispiel dafür was Umfragen bzw. Statisiken taugen, denn deutlich weniger als fünf Prozent beziehen Ökostrom und noch viel weniger beteiligen sich häufig auf Demonstrationen und Blockaden.

    Umfragen und Statisiken sind oft das Papier nicht wert auf dem sie gedruckt sind, bzw. bieten sie zahlreiche Auswertungs- also Deutungsmöglichkeiten.

     

    In diesem Fall dokumentieren sie, dass es massenhaft Schwätzer und Schwätzerinnen gibt oder massenhaft Menschen mit einer schäbigen "Wisch-mir-den-Hintern-ab-mach-mir-ein-Butterbrot bind-mir-die-Schuhe-zu" - Mentalität herumlaufen.

    Es kann doch kein Zweifel daran bestehen, dass die Politiker

    die "Energiewende" nicht alleine hinkriegen können.

     

    Woran liegt es, dass laut etlichen Umfragen seit Jahren

    schon ca 2/3 aller Deutschen gegen Atomkraft sind, etliche auch "Grün wählen"

    aber nur ganz wenige den Strom bei einem Ökostromanbieter kaufen? Woran?

     

    Diese Anti-AKW-Gesellschaft wollte nun insbesondere seit "Tschernobyl" keine Atomkraft mehr.

    Politisch aktive Menschen hatten es geschafft, endlich den Strommarkt zu liberalisieren.

    Die AKW-Skeptiker bekamen nun endlich alternativ zu "Plutonium-Strom" etwas anderes , nämlich "Öko-Strom" angeboten und wollten den offenbar nun auch nicht und blieben daher beim "Plutonium-Strom". Passt zwar nicht so ganz... "macht aber nicht's"...

    Letzeres erinnert mich sehr an eine Gruppe von grundlos motzigen Kindern!

     

    Wie sollen sich regenerative Energien in einem vernüftigen, also

    starkem Maß ausbreiten, wenn kaum jemand diese kauft? Wie soll das gehen?

    • @tsitra:

      Danke, gut gesagt. Sabbeln kost halt nichts, moralisch gute Sachen sagen ist das Eine, dafür was aufn Tisch legen das Andere. Ich beziehe meinen Strom bei EWS, die Gründer und Macher haben meinen großen Respekt -solche Menschen brauchts und die unterstütze ich gerne.

       

      Es ist doch genau wie beim Essen, alles soll nur billig sein. In welchem letzten Hemd sollen die gesparten Taler eigentlich mitgenommen werden?

  • Sehr geehrte Damen und Herrn,

    wenn Sie mal einen echten Preisvergleich machen möchten, werden Sie feststellen, das

    die Kosten bei Ökostrom höher sind als aus konventionellen Kraftwerken. Warum,

    bei den gesamten Berechnungen wirk in den ersten 2 Jahren nur der Bonus zur Kostensenkung. Teilweise wird dieser auch auf 2 Jahre gesplittet. Nach 2 Jahren

    wird man feststellen, das die Stromkosten auf normal Niveau steigen. Grund dafür

    ist der Grundpreis, bei Ökostrom ist er höher als bei konventionellen Anbieter.

    Z.B.monatlich Vattenfall 10,90 Euro gegenüber Grünwelt 16,77 Euro. Arbeitspreis Vattenfall 23,66 c Grünwelt 22,60 c (Daten Check 24)

    Desweiteren möchte ich darauf hinweisen, das der Begriff "nachhaltig" laut Etymologischen Wörterbuch eigentlich " was man zurückbehält" bedeutet.

    Als gibt es in der Zukunft keine Ökostrom mehr, ist auch gut so, ist sowieso eine deutsche Narretei. kein Wind kein Strom keine Sonne kein Strom und derselbige kommt denoch immer noch aus der Steckdose.

    • @Sethos:

      Sehr geehrter Herr Sethos,

      darf ich Ihre Liste weiterführen?

      Ohne Wasser kein Strom. Ohne Wellenbewegung kein Strom. Ohne Geothermie kein Strom. Ohne nachwachsende Rohstoffe kein Strom (wobei ich zugeben muss, dass ich letzteres auch kritisch sehe in Anbetracht der momentanen agrarischen Fehlsubventionen).

      Der sog. "Ökostrom" basiert vor allem auf a) diversifizierung in der Erzeugung und b) dezentralität was die Standorte angeht. Deshalb ist es stark anzuzweifeln, dass im gesamten Land/System gleichzeitig, z.B. nachts kein Wind weht und das gesamte Wasser gefroren ist. Selbst in diesem Falle fungieren Pumpspeicherkraftwerke übrigens als riesige Batterien. Und die herkömmlichen Batterien sowieso.

      Und jetzt kommt bestimmt: Bei Kohlekraft braucht man sich darüber keine Gedanken machen. - Ja, aber Sonne und Wind werden noch wehen, wenn wir keine Kohle mehr fördern können. Oder: Atomstrom ist eigentlich sauber. - Ja, abgesehen von der Endlagerung und der Sicherheit. Siehe Fukushima. Andererseits will ich natürlich garnicht wissen, was für ein gigantisches Disaster das wäre, wenn im dichtbesiedelten Mecklenburg Vorpommern plötzlich einer dieser riesigen Off- oder Onshore-Windparks umfällt ;)

       

      Und übrigens vielen Dank für das kleine Zahlenspiel mit den Strompreisen. Da haben sie völlig recht! Das ist nämlich so, wenn man für ein Produkt (z.B. Strom, oder auch Nahrung) einen reellen (oder reelleren) Preis zahlt, und das nicht jenen Aufbürdet die später aufräumen müssen. Da geht es um temporäre und räumliche Off-Site-Effekte.

      Ich verstehe ehrlich nicht, weshalb sie das als deutsche Narretei abtun.

      Naja, zumindest bei der Steckdose sind wir uns einig...

       

      Das ist linksgrünversifftes Ökogerede? Ja, sehr gern.