Fracking in Schleswig-Holstein: Grüne Geheimniskrämerei

Umweltminister Habeck will noch nicht sagen, für welche Gebiete sich Gas-Unternehmen interessieren. Dabei könnte er die Förderung stoppen, klagen die Piraten.

Hat Geheimnisse, was Fracking betrifft: Schleswig-Holsteins grüner Umweltminister Robert Habeck. Bild: dpa

HAMBURG taz | Eigentlich findet Robert Habeck, grüner Umweltminister von Schleswig-Holstein, das Fracking verboten gehört. Jene neue Methode, bei der ein Gemisch aus Wasser und Chemikalien in den Boden gepresst wird, um Erdgas oder Erdöl aus tiefen Gesteinsschichten zu lösen, nennt er vor der schwarz-gelben Bundesregierung eine „Risikotechnologie“. Denn Auswirkungen der Chemikalien auf Natur und Umwelt – zum Beispiel auf das Grundwasser – seien nicht absehbar.

Doch den Unternehmen, die sich in seinem Bundesland nach möglichen Fracking-Regionen umsehen, möchte er dann doch nicht das Geschäft verhageln. Für welche Gebiete sich diese Firmen interessieren, behält er für sich. Denn manchmal hätten die Firmen ihre Anträge in Konkurrenz zueinander gestellt – „und dann beginnt das Betriebsgeheimnis“, sagte Habeck im Dezember im Landtag. Bei dieser Haltung bleibt er bis heute.

„Es ist ein Skandal, dass für Umweltminister Habeck der Schutz der Industrie Vorrang vor der Information der Öffentlichkeit über die Pläne hat“, sagt Patrick Breyer von den Piraten in Schleswig-Holstein. Er hat jetzt den parlamentarischen Einigungsausschuss eingeschaltet, ein Gremium, dem Habeck hinter verschlossenen Türen erklären muss, warum er die Informationen nicht preisgeben will.

Die Unternehmen: Blue Mountain Energy BME, Pacific Rodera Energy PRD, Exxon Mobil EMPG, Max Streicher GmbH, Central Anglia und RWE Dea haben beantragt, in Schleswig-Holstein nach Posidonienschiefer zu suchen. Dieser Bodenschatz kann mit der umstrittenen Fracking-Methode gefördert werden.

Der Bodenschatz: Posidonienschiefer liegt in Schleswig-Holstein hauptsächlich in der Erde von drei Gebieten: Ein Gürtel zieht sich von Elmshorn im Süden bis nach Kiel, östlich von Hamburg liegt Schiefer und bei St. Peter-Ording. An welchen Regionen die Förder-Firmen genau interessiert sind, ist allerdings nicht bekannt.

Die Sorge: Umweltverbände fürchten, dass Chemikalien, die den Schiefer aus der Erde holen sollen, dort zurückbleiben und Natur und Mensch über das Grundwasser belasten könnten.

Wenn er auch dort schweigt, wollen die Piraten klagen. Die Bürger hätten das Recht zu erfahren, ob ihr Wohnort eine potenzielle Fracking-Region sei, sagt Breyer.

Laut Habeck liegen ihm 16 Anträge von sechs Unternehmen vor. Sie interessieren sich für Gebiete auf einer Fläche von insgesamt knapp 9.000 Quadratkilometern. Allerdings, so der Umweltminister, überschnitten sich diese Flächen. Tatsächlich sei der betroffene Raum kleiner – wie klein, sagt er aber nicht. Zudem wollten die Unternehmen mit ihren sogenannten Aufsuchungsanträgen ohnehin nur Gebiete reservieren.

Begehrter Posidonienschiefer

Bevor sie mit Bohrer oder Chemie in die Böden eindringen dürften, müssten sie sein Ministerium noch einmal um Erlaubnis bitten. Und bevor das geschehe, erfahre auch die Öffentlichkeit, wer den begehrten schleswig-holsteinischen Posidonienschiefer wo aus der Erde sprengen will.

Allerdings sei der „Spielraum“, den er in seiner Entscheidung über die Förderanträge habe, nicht besonders groß. Die Vorgaben, ob ein Aufsuchungsantrag positiv beschieden werde, mache schließlich der Bund: „Hier sind wir an Recht und Gesetz gebunden“, sagt Habeck.

Hans-Jörg Lüth vom Umweltverband BUND kritisiert Habecks Geheimniskrämerei. Eine „Aufsuchung“ könne auch schon eine Probebohrung und damit Fracking bedeuten, sagt er. „Wir fordern Transparenz.“ Eine politische Willenserklärung, wie die der Landtagsfraktionen, die sich im vergangenen Jahr noch gemeinsam gegen das Fracking ausgesprochen hatten, reiche da aber nicht aus. Auch Nabu-Geschäftsführer Ingo Ludwichowski nennt die Geheimhaltung der diskutierten Gebiete „nicht mehr zeitgemäß“.

Hintertürchen Genehmigungsstopp?

In Nordrhein-Westfalen muss sich der grüne Umweltminister Johannes Remmel auch mit Fracking-Unternehmen auseinandersetzen. Um deren Aufsuchungen aufzuhalten, hat er sich eines Tricks bedient: Er veranlasste einen Genehmigungsstopp. Fracking wird in NRW erst nach einem „breiten wissenschaftlichen und öffentlichen Dialog“ möglich sein, sagt sein Sprecher Frank Seidlitz. Auch ein Hintertürchen für Schleswig-Holstein? „Wenn wir das machen, warum sollen das dann andere nicht können?“, sagt Seidlitz.

Das sieht auch Pirat Patrick Breyer so. Er fordert von Habeck, es den Düsseldorfern gleichzutun und ebenfalls sofort einen Fracking-Stopp zu erlassen. Die Technologie auf Bundesebene abzulehnen, aber keine Blockade im eigenen Bundesland umzusetzen, sei „unredlich“.

Das Umweltministerium prüfe noch, „welche rechtlichen Schritte hier möglich und nötig sind, um Fracking zu verhindern“, heißt es dazu von Habeck. Die Piraten planen dennoch, eine Sammelpetition gegen die Fördermethode zu unterstützen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.