Fotografin über Körper und Schöhnheit: „Es ist mein Po, also zeige ich ihn“
Die Fotografin Eylül Aslan hat Männer über Tinder getroffen, um ihre Körperteile zu fotografieren. Ein Gespräch über Nippel und Freiheit.
Beine, Hals, Brustwarzen – jede Person hat ein Körperteil an sich, das sie besonders hässlich findet. Oder besonders schön. Die Fotografin Eylül Aslan traf zwanzig Männer über die Dating-App Tinder, um sie nach ihren liebsten und unliebsten Körperpartien zu befragen und eben diese anschließend zu fotografieren. Die Ergebnisse sind in ihrem Buch „Trompe L’Oeil“ zu sehen. Wir sprachen mit der 27-jährigen gebürtigen Istanbulerin, die seit 2013 in Berlin lebt, über Schönheitsideale und Tabus in der türkischen Gesellschaft.
taz: Frau Aslan, Sie haben zwanzig Männer über Tinder getroffen, um sie zu fotografieren. Wie konnten Sie die Blind Dates überzeugen, mitzumachen?
Eylül Aslan: Ich hatte folgende Profilbeschreibung: “Hallo, ich bin Eylül. Ich suche Leute für mein Kunstprojekt. Wenn du interessiert bist wische nach rechts, wenn nicht, dann nicht, weil ich nicht hier bin um zu daten.“
Das heißt, Sie haben ihr Projekt von Anfang an offen kommuniziert?
Jahrgang 1992, studiert in Berlin und Istanbul. Sie findet Alltägliches spannend und trifft gern (Lebens-)Künstler. Aus den gesammelten Geschichten bastelt sie Reportagen und Kurzfilme.
Ja, aber ich konnte eigentlich nicht viel Inhaltliches über das Projekt sagen. In welche Richtung es geht, wurde erst klar, während ich daran arbeitete. Einige Männer waren natürlich skeptisch, andere wiederum sehr offen. Aber was ich merkte, war, dass auch ich mich verletzlicher machen musste, damit es funktioniert.
Wie haben Sie das gemacht?
Ich habe die Männer getroffen und sie gefragt, was sie an sich mögen und was nicht, und dasselbe habe ich sie dann über mich gefragt. Manche haben gesagt, dass sie meinen Körper angezogen ja gar nicht sehen können, also habe ich mich einmal im Kreis gedreht. Ausgezogen habe ich mich nicht, aber es war schon komisch.
Die Fotografien erscheinen nun als Buch. Wie kamen Sie auf den Titel „Trompe L’Oeil“?
„Trompe L’Oeil“ bedeutet auf französisch die Täuschung des Auges. Mir kam die Idee, als ich durch die Profile auf Tinder scrollte. Die Leute inszenieren auf den dortigen Bildern Körperteile, die sie besonders schön finden. Zum Beispiel dieser Typ mit den schönen Armen. Er hat sich auf dem Bild nach etwas gestreckt, sodass man seine Muskeln sehen konnte. Und dann triffst du ihn und stellst fest, dass seine Arme eigentlich ziemlich dünn sind.
So können wir durch Bilder getäuscht werden. Andererseits gehört das dazu: Auf Tinder entscheidest du innerhalb von Millisekunden, ob du jemanden attraktiv findest oder nicht.
Verändern Tinder und soziale Medien unser Schönheitsideal?
Das Ding ist, dass einheitliche Schönheitsideale immer exponiert wurden. Zum Beispiel ist dieser ganze Kim-Kardashian-Look sehr beliebt bei arabischen Mädchen. Sie sind wie kleine Kopien, und das liegt auch, aber nicht nur an Social Media. Doch natürlich beeinflusst es uns, dass wir über das Internet immer Zugriff auf Bilder haben, die zeigen, was „schön“ ist. Das ist sehr manipulativ.
Dabei gibt es keine Richtlinien, wenn es um Schönheit oder Hässlichkeit geht. Ich habe zwanzig Männer getroffen und habe sie alle gefragt, was sie an mir mögen und was nicht, und es war verrückt herauszufinden, dass jeder eine andere Meinung hatte.
Wie hat das Projekt die Beziehung zu Ihrem eigenen Körper verändert?
Es war überraschend heraus zu finden, dass manche Männer die Körperpartien an mir, die ich selbst nicht mag, entweder gar nicht erst bemerkten, oder sogar schön fanden. Ich habe gelernt, entspannter zu sein. Auch Leute, die super selbstbewusst auf ihren Bildern aussahen, konnten mir im persönlichen Gespräch kein einziges Körperteil an sich nennen, das sie mochten.
Wäre dieses Projekt auch in der Türkei denkbar gewesen?
Fremde Männer auf Tinder treffen, um sie zu fotografieren? Ich bin doch nicht verrückt! Dort herrscht ein ganz anderer Umgang mit Frauen.
Aber Sie haben mit der Nacktfotografie in der Türkei angefangen, oder?
Ich habe nie wirklich Nackfotografie gemacht. Ich denke, mein Stil ist eher mysteriös. Ich finde es sexier, nur den Ansatz einer Brust zu sehen, als die Ganze. Ich habe auch viel mit meinem eigenen Körper experimentiert. In meinen Fotografien sieht man selten Gesichter, es geht darum anonym zu bleiben. Hätte ich halbnackte Bilder von mir mit Gesicht aufgenommen, hätte das viel Ärger bedeutet.
Halbnackte Fotografin in Berlin? Klingt nicht nach Ärger.
Stimmt, hier bin ich eher konservativ.
Rechnen Sie mit Kritik aus der Türkei?
Ich zeige meine Brust und meinen Po im Buch und dachte erst: Wenn mein Vater das sieht, bin ich tot. Aber ich meine, es ist mein Körper, also muss mein Vater einfach lernen damit umzugehen, dass seine Tochter ihren Po zeigen will. Ich habe mit der Fotografie angefangen, weil ich mich in meiner Kultur so eingeschlossen fühlte und weil es ein ständiger Kampf war, in der Türkei als Frau aufzuwachsen.
Über Sexualität zu reden war immer tabu, und ist ein großes Problem, denn ich bin als Person sehr sexuell. Um dieses Buch zu drucken, habe ich meine ganzen Ersparnisse auf den Kopf gehauen. Also dachte ich mir, ich werde da jetzt einfach meinen Nippel rein machen.
Wird das Buch auch in der Türkei verkauft werden?
Ich will ehrlich gesagt nicht, dass es dort verkauft wird. Einmal wegen meinem Vater und zum anderen, denke ich, dass die Türkei noch nicht bereit ist, für das ist was ich mache. Aber wer will, kann es online kaufen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!