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Fotoausstellung im Flughafen TempelhofBilder des alltäglichen Leids

Eine Fotoschau zeigt die Lebens­umstände in einem Geflüchtetencamp nahe Thessaloniki. Dessen Bewohnerinnen haben die ausgestellten Bilder aufgenommen.

Alltag hinterm Zaun Foto: Bewohnerin des Geflüchtetencamps Diavata

In der aktuellen Asylpolitik und in der öffentlichen Debatte wird immer wieder von einer Eingrenzung der Zuwanderungen nach Deutschland gesprochen. Entsprechende Maßnahmen, welche die Rückführungen erleichtern und die Einwanderung erschweren sollen, stehen hoch im Kurs oder sind beschlossen.

Während einige Konservative von Obergrenzen sprechen, positionierte sich auch die Bundesregierung mit einer klaren Linie für Abschiebungen und strengere Einwanderungskontrollen. „Es sind zu viele“, erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) letzten Monat beim Migrationsgipfel von Bund und Ländern. „Die Zahlen derjenigen, die heute als Flüchtlinge kommen, sind zu hoch,“ so Scholz in der ARD im November.

Solche Aussagen und der öffentliche Diskurs versäumen es, über die Menschen zu sprechen die diese „Zahlen“ ausmachen, nämlich die Geflüchteten selbst. Diese haben nur sehr begrenzte Möglichkeiten ihre Perspektive und ihre Geschichten zu erzählen. Besonders Frauen sind in diesem Kontext mittellos. Häufig stammen sie aus Herkunftsländern mit veralteten Frauenbildern. Diese und weitere Gründe sind für Frauen die Ursachen zur Migration nach Europa.

Mit der Hoffnung auf Freiheit, Frieden und Gleichheit machen sie sich auf den Weg nach Europa, stehen an den EU-Außengrenzen jedoch der harten Realität der europäischen Asylpolitik gegenüber. Oft warten Menschen in Flüchtlingscamps jahrelang auf Dokumente, um weiter in die EU einzureisen. So auch im Camp Diavata nahe Thessaloniki. In diesem „Jail“, Gefängnis also, wie es die Be­woh­ne­r*in­nen nennen, sind die Zustände besonders schlimm. Meterhohe Mauern halten die Geflüchteten in Grenzen und verhindern so jede Art der Integration.

Wie Gefängnisinsassen

„Stärke“ von Farzana Naeemi

Was innerhalb dieser Mauern vor sich geht und unter welchen Umständen vor allem Frauen dort leiden, wissen nur eben jene die davon betroffen oder dafür verantwortlich sind, Jour­na­lis­t*in­nen bekommen keinen oder nur begrenzten Zugang. Am härtesten trifft es dabei Frauen und Mädchen. „Die Menschen hier werden von den Autoritäten, der Polizei und der Security nicht ernst genommen, vor allem wir Frauen wurden behandelt wie Gefängnisinsassen. Selbst die Psy­cho­lo­g*in­nen und Ärzt*in­nen behandeln uns nicht ausreichend, weil sie unsere Sorgen nicht ernst nehmen,“ so die ehemalige Diavata-Bewohnerin Masoumeh Tajik im Gespräch mit der taz.

Vier Jahre verbrachte die 30-Jährige in Diavata bevor sie letztes Jahr nach Deutschland weiterreisen konnte. Gemeinsam mit anderen Frauen und Mädchen aus diesem Camp und dem italienischen Fotografen Mattia Bidoli porträtiert sie die frauenfeindliche Lebensrealität in dem Camp aber auch in ihren Heimatländern.

2020 gründete Bidoli einen Fotografie-Workshop in Diavata mit dem Ziel, Frauen und Mädchen einen Safespace zu bieten, in dem sie frei über ihre Bedürfnisse und Sorgen sprechen können, um diese dann mit Fotos zum Ausdruck zu bringen. Für viele der Teilnehmerinnen ist es das erste Mal in ihrem Leben, dass ihnen eine solche Möglichkeit gegeben wird. 2021 gewann die Ausstellung mit Fotos, die von Bewohnerinnen gemacht wurden, den Global Peace Photo Award.

Nicht alle der Beteiligten konnten damals zur Verleihung erscheinen, einige saßen noch in Diavata fest. Auch in diesem Jahr stellt die Organisation Circolo Fotografico Palmarino alte, aber auch neue Fotos des Workshops aus.

Patriarchale Strukturen

Die Ausstellung

Flughafen Tempelhof, Hangar 4, bis 16. Dezember

Das Titelbild der Ausstellung zeigt die 28-jährige Farzana Naeemi, deren Gesicht von fremden Händen bedeckt ist, nur ihre Augen bleiben frei. Zeigen will Naeemi damit, wie es sich für junge Frauen anfühlt, alltägliches Leid in Diavata zu sehen, ohne etwas dagegen tun zu können, da patriarchale Strukturen und Diskriminierung ihnen die Möglichkeit zur Mitsprache nehmen.

Die Ausstellung, die im Hangar 4 des Flughafengebäudes Berlin Tempelhof zu sehen ist, wird von dem gemeinnützigen Verein Project Elpida betreut, der auch vor Ort in Griechenland aktiv ist. Sie vermittelt einen Einblick aus der Innenperspektive der Frauen in Diavata, zeigt, wozu Medien nicht in der Lage sind, „They took away our voice – so we will tell our story through photos instead“ lautet ihr Titel.

Die Bilder erzählen Geschichten von Vergewaltigungen, Gewalt, fehlender Selbstbestimmung aber auch von Hoffnung auf ein freies, friedliches Leben, die sonst nicht an die Öffentlichkeit gelangen. So porträtiert ein Foto von Yehganeh Esmailyan die Geschichte einer Vergewaltigung und der anschließenden Machtlosigkeit der Betroffenen in Diavata.

Die Ausstellung zeigt die Frustration, die Wut und die Verzweiflung die geflüchtete Frauen empfinden, nachdem sie den schweren Weg aus ihrer Heimat nach Europa angetreten sind, nur um in einem „Jail“-ähnlichem Camp anzukommen in dem sie immer noch mit Frauenfeindlichkeit und Diskriminierung leben müssen.

Die dargestellten Eindrücke und die Geschichten von Flucht und dem Leben als junge Frau in einer frauenfeindlichen Umgebung im Heimatland, auf dem Weg nach, aber auch in Europa, gehen über die herkömmliche Berichterstattung hinaus. Sie sind essenziell, um zu verstehen, was eigentlich im Mittelpunkt der Asylpolitik stehen sollte.

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