Foto-Essayband über Büroarchitektur: Co-Working-Businesslösungen

Ein Foto-Buch von Florian Idenburg, LeeAnn Suen und Iwan Baan zeigt, wie kreativ US-Büroarchitektur sein kann.

Pfannen und Töpfe hängen kreuz und quer in einer Büroküche

Der Dunst von Töpfen und Pfannen und die Strahlung der Computer: Büroalltag Foto: Iwan Baan

Ganz ohne Büro will man heute offenbar auch nicht. Viele Arbeitgeber verdonnerten ihre Angestellten wieder zum Dienst in der Firma, sobald die Coronalage dies gesetzlich zuließ; zumindest an bestimmten Tagen, zumindest zu bestimmten Quoten. Und darunter sind erstaunlich viele der großen, hippen Tech-Unternehmen aus den Vereinigten Staaten, die sich doch längst und vorgeblich die Abschaffung der Arbeit, wie wir sie kennen, auf die Fahnen geschrieben hatten. Die Gestaltung des Arbeitsplatzes möchten Unternehmen wohl auch heute nicht ganz an die Mitarbeitenden abgeben.

In diese postpandemische Gemengelage gerät nun ein Buch aus dem Taschen Verlag, dessen Coverfoto von einem gemütlichen Arbeitsplatz samt Kaffeebecher und Schirmlampe vor riesigem Berggipfel-Schnee-Panorama den Blick auf sich zieht. „The Office of Good Intentions. Human(s) Work“ von Florian Idenburg und LeeAnn Suen, mit Fotografien von Iwan Baan, erkundet, welch architektonische Umgebungen Arbeitgeber in den letzten 60 Jahren für ihre Angestellten in den USA geschaffen haben.

Darunter sind eine Werbeagentur, ein Biologie-Institut, große Geschäftshäuser, ein digitales Produktionsstudio, Regierungsbürogebäude, aber auch gigantische Geschäftshauskomplexe wie die monumentalen Pyramiden aus Beton und verspiegeltem Glas der College Life Insurance Company Headquarters von Kevin Roche John Dinkeloo and Associates in Indianapolis.

Mitten in der Wüste

Und nicht zuletzt die berühmte, bis heute nur in geringen Teilen fertiggestellte Anlage von Arcosanti. Mit diesem Bauwerk suchte der Architekt Paolo Soleri ab 1970 mitten in der Wüste von Arizona gemeinschaftliches Wohnen und Arbeiten in seiner so visionären wie eigenwilligen Arcology (Architektur und Ökologie) zu verbinden.

Florian Idenburg, LeeAnn Suen, Iwan Baan (Fotos): „The Office of Good Intentions. Human(s) Work“. Taschen Verlag, Köln 2022, 592 Seiten, 50 Euro

Baans Fotografien dieser Architekturen für die Arbeit sind essayistisch angelegte Streifzüge. Mal nehmen sie Nebensächlichkeiten in den Fokus, mal setzen sie auf den großen Überblick, ohne allerdings die Deutungshoheit über die abgelichteten Arbeitsplätze für sich zu beanspruchen.

Tuschelnde Mitarbeiterinnen, die sich für einen Moment unbeobachtet wähnen im endlosen Nichts eines weißen Besprechungszimmers. Ein Büro-Shiba-Inu, der es sich auf dem Boden gemütlich gemacht hat. Überhaupt etliche Bürohunde, insbesondere – na klar – in der kalifornischen Werbeagentur. Wie in denjenigen Räumen nach Designs von Clive Wilkinson Architects, das kalifornische Architekturbüro hat sich „Building Creative Communities“ zum Firmenmotto gemacht.

Wohl anregende Assoziationen

Baan zeigt Kantinen und Großraumbüros, deren dezente Weihnachtsdekoration einen Hinweis aufs Aufnahmedatum liefert. Menschenleere Lagerräume, Büropflanzen, Filmposter, kleine Menschen in grotesk überdimensionierten Hallen: Sie sollen den hier Arbeitenden, über denen Basketballkörbe schweben wie ein Damoklesschwert, wohl anregende Assoziationen ans Fabrikloft liefern.

Verheißungsvoll ist die amtliche Büroausstattung. Idenburg und Suen holen Archivaufnahmen längst vergessener ergonomischer Bürorequisiten mit Namen „Antron III“ oder „Ultronic 9000“ hervor. Nahaufnahmen zeigen aktuelles Office-Equipment aus Gaming-Stühlen, Workout-Computern, Zero Gravity Workstation oder, profaner, dem Stützkissen für das Mittagsschläfchen am Schreibtisch.

Durch dieses Dickicht aus Schreibtischnippes und oft grandiosen Bauten wie denen von Marcel Breuer, I. M. Pei oder Paul Rudolph schlagen die AutorInnen nun ihre essayistischen Schneisen. Sie liefern mal die Geschichte der Lochkarte, mal eine historische Einordnung der Inspiration – ein Momentum, das herbeizuführen immerhin ausgemachtes Ziel vieler Büroumgebungen ist.

Influencerinnen aus dem Kinderzimmer

Selbstredend, dass auch der Wandel des Arbeitsplatzes an sich in dem Buch eine Rolle spielt. Neben dem selbstgewählten oder angeordneten Home­office widmen sich die Au­to­r:In­nen in einzelnen Beiträgen der Arbeitssituation von Influencern, die auch schon aus ihrem Kinderzimmer heraus zu hochbezahlten Un­ter­neh­me­r:In­nen in eigener Sache werden.

Das kleinformatige Buch besticht durch seine assoziative, kenntnisreiche Exploration des Büros als Ort moderner Arbeit. Es erscheint so ausgesprochen zeitgemäß wie zerfranst. Eine konsequente Lochung der Seiten, wie man das von altem Fax- und Druckerpapier kennt, mag als Erinnerung dienen, dass nicht alles neu ist, das sich in der hier vorgestellten Office-Welt hippe Slogans auferlegt.

Wie die Vorstellungen der Vergangenheit am Arbeitsplatz von heute in ihren sichtbar gewordenen Formen fortwirken – ihren Gebäuden, Kantinen, Besprechungszimmern, ihrer Hard- und Software, in den Büromöbeln und der Arbeitszeiterfassung.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.