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Forstwirt über Waldbrandgefahr„Nur aus Hitze ent­steht kein Brand“

Ursache für die meisten Waldbrände ist menschliche Fahrlässigkeit. Besonders anfällig sind Nadelholzforste, erklärt der Forstwirt Raimund Engel.

Waldbrand Mitte Juli in Thiendorf nördlich von Dresden Foto: Matthias Rietschel/reuters
Interview von Hanna Gersmann

Die Deutschlandkarte des Deutschen Wetterdienstes, die den Waldbrandgefahrenindex abbildet, ist am Mittwoch in weiten Teilen tiefrot: In Brandenburg, aber auch in Teilen Bayerns, Baden-Württembergs, Mecklenburg-Vorpommerns, Niedersachsens, Schleswig-Holsteins oder Sachsen-Anhalts gilt die höchste Gefahrenstufe. Das hat kaum einer so gut vor Augen wie Raimund Engel, Forstwirt und Waldbrandschutzbeauftragter des Landes Brandenburg. Denn nirgendwo anders in Deutschland brennt es in den Wäldern so oft wie in Brandenburg. „Ab mittags habe ich keine Zeit mehr“, sagt Engel am Telefon. Bis 11 Uhr etwa sei Ruhe, dann gehe es mit den Bränden wieder los, derzeit jeden Tag.

taz: Herr Engel, was mache ich, wenn ich einen Waldbrand entdecke?

Raimund Engel: Sie rufen sofort den Notruf – die 112. Am besten geben Sie dann den Ort an, wo es brennt, so genau wie möglich. Es hilft nicht, wenn Sie sagen, hier riecht es nach Rauch. Die Feuerwehr leitet Ihre Nachricht dann an uns, an die Waldbrandzentralen in Brandenburg weiter, fragt: „Habt ihr da was – und wo?“ Wir scannen die Landschaft dann noch mal ab.

Bild: Andreas Neumann
Im Interview: Raimund Engel

Raimund Engel, 57, ist Forstwirt und Waldbrandschutzbeauftragter des Landes Brandenburg.

Das muss schnell gehen – wie funktioniert das?

Wir haben auf ehemaligen Wachtürmen und auf Mobilfunkmasten Kameras installiert, sodass der gesamte Wald Brandenburgs von oben überwacht werden kann. Das haben angrenzende Bundesländer auch. Die Kameras drehen sich ständig um 360 Grad, dabei machen sie alle 10 Grad mehrere Fotos. Die Aufnahmen laufen ständig in den Waldbrandzentralen ein. Dort sitzen Mitarbeiter vor vielen Monitoren. Jeder hat die Fotos von 12 Kameras im Blick.

Die werten die Bilder permanent aus?

Die Kameras, wir nennen Sie Sensoren, sind mit einer intelligenten Software verknüpft, sodass sie automatisch melden, ob eine Rauchwolke über den Bäumen aufsteigt. Das lässt sich an der Farbe, der Form und daran erkennen, wie schnell die Wolke aufsteigt. Wenn die Software selbst etwas erkannt hat, taucht auf dem mittleren Monitor eines Mitarbeiters eine Warnmeldung auf. Dann kann der Mitarbeiter einen kurzen Film sehen, was in den vergangenen Sekunden passiert ist – und noch mal prüfen, ob es sich sich um eine Staubwolke vom Traktor handelt oder ob dort tatsächlich ein Brand ist.

Wie oft hat es in diesem Jahr schon gebrannt?

Es ist erst Mitte Juli, und in Brandenburg gab es in diesem Jahr schon 350 Waldbrände. Da werden sicher noch mehr als 100t hinzukommen. Das sind Zahlen, wie wir sie in den extrem trockenen und heißen Jahren 2018 und 2019 auch hatten. 2019 kamen wir zum Beispiel auf 400 Brände.

Nimmt die Zahl der Brände über die Jahre zu?

2003 hatten wir sogar 700 Brände. Das hängt immer davon ab, wie sich die Wetterlage entwickelt, wie der Wind steht, ob Regen kommt.

Welche Rolle spielt der Klimawandel?

Nur aus Hitze entsteht ein Brand nicht. Es gibt Leute, die ein Feuer vorsätzlich legen, um den Waldbesitzern zu schaden oder sich mächtig zu fühlen. In der Regel ist aber fahrlässige Brandstiftung die Ursache von Waldbränden. In Brandenburg besteht ein ganzjähriges Rauchverbot in Wäldern. Da halten sich nur nicht alle dran. Dann wirft ein Spaziergänger seine noch glühende Zigarettenkippe achtlos weg, der Autofahrer schnippt sie aus dem Fenster. Manchmal gibt es auch einen Funkenflug, wenn Bauern mit ihren Mähdreschern das Korn ernten. Wenn der Boden dann trocken ist, der Wind stark, kann sich das rasant ausbreiten.

Wer trägt die Kosten?

Bei Bränden, die eine Woche dauern, sind teilweise zweihundert Einsatzkräfte pro Tag da. Und die müssen dann auch noch Tag für Tag ausgetauscht werden. Bisher zahlt das meist die Gesellschaft, weil man der Brandstifter nur selten habhaft wird.

Haben Sie genug Löschflugzeuge?

Wir greifen zurück auf Einsatzmittel der Bundespolizei und der Bundeswehr – das klappt bisher gut. Es ist aber vor allem wichtig, gut ausgebildete Leute zu haben und gute Technik. Zum Beispiel brauchen wir keine Fahrzeuge, die die Berufsfeuerwehren in den Städten haben. Für den Wald müssen sie geländegängig sein und viel Wasser transportieren können, das wir aus großen Brunnen holen, die schon mal einige Kilometer entfernt sind.

Wie gefährlich werden die Brände den Menschen?

Erst Mitte Juni haben Waldbrände die Orte Treuenbrietzen und Beelitz bedroht. Da musste die Einsatzleitung mehrere Wohngebiete evakuieren. So was überlegt sich eine Einsatzleitung sehr genau, aber es geht dann um den Schutz der Einwohner, die auch unter der starken Rauchbelastung leiden.

Was raten Sie, um Waldbrände zu vermeiden?

Langfristig muss der Anteil von Laubholz in den Wäldern steigen. Nadelholzforste sind besonders anfällig für Brände. Wer dort einmal spazieren geht, weiß, wie heiß es dort werden kann. Laubbäume hingegen sorgen für ein kühleres Waldklima, im Laubwald ist es 2 bis 3 Grad kälter. Das hat mit den Blättern zu tun, sie speichern mehr Feuchte.

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10 Kommentare

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  • 0G
    03998 (Profil gelöscht)

    Hinzu kommt noch, dass überall Flaschen herumliegen. Durch den Brennglaseffekt können sehr schnell Feuer entstehen.



    Das Märchen, dass Feuer entstehen , bloß dadurch, dass es heiß und trocken ist, hält sich hartnäckig.



    Die sind aber menschengemacht und solange darüber nicht geredet wird, kann auch kein Bewußtsein entstehen, wie Brände verhindert werden können.



    Demzufolge müsste die afrikanische Trockensavanne die ganze Zeit brennen. Die Menschen, die dort leben haben aber Glück, weil niemand brennende Kippen aus dem Fenster schmeißt oder nach einem Besäufnis im Freien Flaschen oder Glassscherben liegen lässt.

  • "Was raten Sie, um Waldbrände zu vermeiden?"



    Die neuesten Foorschungsergebnisse aus den USA scheinen sich in Deutschland noch nicht herumgesprochen zu haben, hier ein Artikel aus dem "National Geographic":



    www.nationalgeogra...-california-oregon

    Die durch die Biber geschaffenen Seen und Feuchtgebiete erhöhen den Wasserrückhalt und die Luftfeuchtigkeit gewaltig, wirken als Feuersperren und als Rückzugsraum für Tiere.

    • @Gerald Müller:

      Der Biber sollte in die Wüste geschickt werden!

    • @Gerald Müller:

      Passt nur nicht auf Brandenburg.

      • @rero:

        Warum nicht, da gibt es doch auch kleine Fließgewässer?

        • @Gerald Müller:

          Zum einen gibt es in Brandeburg Biber, die sich im Prinzip vermehren können, wie sie wollen, und denen keiner was tut. Auch in Berlin gibt es sie.

          Zum anderen ist es aber so, dass viele Flüsse sowieso schon sehr langsam fließen und unterwegs viele Seen bilden.

          Typisches Beispiel ist die Havel. Sie fließt extrem langsam und bildet über weite Strecken hinweg einen See nach dem anderen.



          Ähnlich sind die Zuflüsse der Havel. Sie mäandern oft so vor sich hin.

          Da brauchen Sie keine Biber mehr.

          Wo es in Brandenburg aber brennt, ist Sand, Sand, Sand.



          Flüsse sind dort nicht so schnell in der Nähe.

          Da geht ein Biber nur hin, wenn er in den Sommerferien mal erkunden will, wie es sich als Eichhörnchen lebt. (Sorry, ich mag Biber. Das bedeutet nicht, dass ich Ihre Argumentation nicht ernstnehmen würde. :-) )

          • @rero:

            Stimmt, die lokalen Bedingungen haben natürlich eine entscheidende Bedeutung. Aber, in der tay war am 12.7. ein Artikel zum selben Thema wo e shiess: "So habe man in der Vergangenheit Staustufen im Fredersdorfer Mühlenfließ (Lkr Landkreis Märkisch-Oderland) abgebaut, um Fischtreppen anzulegen – nun aber könne das Wasser ungehindert abfließen und der Fluss trockne oft gänzlich aus, weil nicht genug Niederschlag fällt."



            Die für Wassermühlen gebauten künstlichen kleinen Stauwehre haben eine ähnliche Fuktion wie Biberdämme, wenn sie fehlen dann läuft as Wasser einfach ab, das Bachbett erodiert, Wasser w´geht nicht ins Grundwasser und auch der Grundwasserspiegel sinkt. Da müsste man doch einhaken..

    • @Gerald Müller:

      Die Biber ,die übrigens in Deutschland geschützt sind, legen aber Seen und Feuchtgebiete nicht einfach so aus dem Nichts an ,sondern sind dafür auf fließende Gewässer angewiesen ,die sie aufstauen.Die sind nun nicht überall , wo es Kieferansammlungen gibt ,auch vorhanden.

      • @Mustardmaster:

        Stimmt, und viele kleine Fließgewässer bei denen im Zuge von Renaturierungsmassnahmen die kleinen Stauwehre beseitigt worden sind fallin im Sommer trocken. Biber könenn sich dort nicht mehr ansiedeln. Deswegen baut man in den USA auch künstliche Biberdämme (Artificial Beaver Dams oder Beaver Dam Analogues) die einen Aufstau bewirken wodurch mehr Wasser als Grudwasser gespeichert wird. Durch die künstlichen Dämme werden die Gewässer nach ei paar Jahren ganzjährig woraufhin sich Biber wieder aniedeln können. siehe z.B. www.mtpr.org/monta...abitat-restoration

    • @Gerald Müller:

      Danke für den Link. Wäre wahrscheinlich auf vielen Gebieten besser gewesen, die Dinge einfach so zu lassen, wie sie es bis vor nicht einmal 100 Jahren waren.

      Dass die im Namen von 'Effizienz', Sicherheit und Ordnung ausgeräumten, sterilen und letztlich toten Landschaften unserer modernen Industriezivilisation am wenigsten geeignet sind, den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen, müsste inzwischen eigentlich klar sein. Aber alles geht weiter wie bisher...