Forschungsförderung in Deutschland: Füllhörner für die Wissenschaft
Wohin fließen die mehr als 21 Milliarden Euro Forschungsförderung der Öffentlichen Hand? Der neue Förderatlas Gibt Auskunft.
Im neuen Förderatlas 2018, der jetzt in Berlin vorgestellt wurde, sind die Forschungsgelder erfasst, die von vier Mittelgebern in den Jahren 2014 bis 2016 vergeben wurden. Die DFG-Bewilligungen umfassen 8,2 Milliarden Euro, wovon 7,3 Milliarden in die Hochschulen gingen, der Rest an außeruniversitäre Forschungsinstitute. Die FuE-Projektförderung der Bundesministerien ist mit 10,5 Milliarden Euro aufgeführt, das EU-Programm „Horizon 2020“ mit 3,9 Milliarden sowie die industrielle Gemeinschaftsforschung (AiF) mit 418 Millionen Euro. Von der Gesamtsumme von 23,1 Milliarden Euro erhielten die Hochschulen 12,7 Milliarden, die außeruniversitären Institute 5,8 und FuE-Einrichtungen der Wirtschaft 4,6 Milliarden Euro.
Weil die DFG ihre Fördermittel im Wettbewerb der Forscher nach strengen fachlichen Bewertungsmaßstäben vergibt, sind diese Drittmittel über die reine Finanzzahl hinaus zugleich ein „Ausweis von Forschungsqualität und wesentliches Element der Qualitätsicherung im Wissenschaftssystem“, so Strohschneider.
Wer sind nach diesem Kriterium die forschungsstärksten Hochschulen in Deutschland? Die Antwort darauf ergibt sich aus den Bewilligungen der DFG für die Jahre 2014 bis 2016. Danach liegt die Ludwig-Maximilian-Universität München mit einer Gesamtsumme von 315,8 Millionen Euro wie auch schon in den Vorjahren an der Spitze. Es folgen auf den Plätzen Silber und Bronze die Uni Heidelberg mit 292 Millionen und die RWTH Aachen mit 281 Millionen. Das Feld der besten 10 wird komplettiert durch die TU München, FU Berlin, TU Dresden, Uni Freiburg, Uni Tübingen, HU Berlin und Uni Göttingen.
Bemerkenswert ist der Aufstieg der TU Dresden als beste ostdeutsche Hochschule insgesamt. (Unter den 40 drittmittelstärksten Hochschulen sind nur vier aus dem Osten, neben Dresden auch die Humboldt-Uni Berlin, Jena und Halle-Wittenberg). Dresden machte von 2015 zu 2018 einen Sprung von Platz 10 auf 6, indem sie ihre Drittmittel um 35 Prozent auf nunmehr knapp 260 Mio Euro erhöhen konnte. Neben dem Gewinn des Titels einer Exzellenz-Hochschule mit entsprechenden Fördermitteln ist ein weiterer Grund im „wissenschaftlich-industriellen Ökosystem“ der sächsischen Hauptstadt zu sehen, wo seit der Wende ein Schwerpunkt der Mikroelektronik entstanden ist.
Die Unis mit den meisten Drittmitteln
Andere Rangfolgen ergeben sich, wegen unterschiedlicher Hochschulprofile, beim Blick auf die vier großen Fächergruppen. In den Geistes- und Sozialwissenschaften konnten die beiden Berliner Unis FU und HU die meisten Drittmittel einwerben. In den Lebenswissenschaften einschließlich der Medizin liegen die LMU München und die Uni Heidelberg vorne. Bei den Naturwissenschaften führend sind die Unis in Mainz, Hamburg und Bonn. In den Ingenieurwissenschaften dominieren keineswegs nur die Technischen Universitäten, denn der Aachener TH folgt auf Rang 2 die Universität Erlangen-Nürnberg.
Aber auch kleinere Unis können „forschungstark“ sein, wie sich zeigt, wenn die Bewilligungen mit der Zahl der Professuren ins Verhältnis gesetzt wird. An der Bodensee-Uni Konstanz wird pro Lehrstuhl so viel Forschungsgeld eingeworben, dass man im Ranking auf Platz 2 hinter der Uni Freiburg landet. Bezogen auf das wissenschaftliche Personal insgesamt liegt Konstanz sogar an der Spitze.
Ein besonderer Akzent des Atlas liegt diesmal auf der Forschungsförderung in der Europäischen Union (EU). Hier zeigt sich, dass vor allem zwei Länder am meisten von den Geldern des Brüsseler EU-Haushalts profitieren. An erster Stelle Deutschland, das in den Jahren 2014 bis 2016 insgesamt 3,9 Milliarden Euro aus dem Forschungsrahmenprogramm „Horizon 2020“ erhielt, vor Großbritannien mit 3,6 Milliarden. Dass die Briten mit dem „Brexit“ aus diesem Fördersystem aussteigen wollen, stellt nach Worten Strohschneiders die „Wissenschaft in Deutschland, Großbritannien und ganz Europa vor große Herausforderungen“.
Aus Sicht der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) enthält der Förderatlas ein wichtiges Signal für die Hochschulfinanzierung generell. Sorge bereitet hier der starke Anstieg der sogenannten „Drittmittelquote“, dem Anteil der zusätzlichen Fördergelder an der Grundfinanzierung durch die Bundesländer. Wie HRK-Vizepräsident Ulrich Rüdiger bei Vorstellung der Zahlen betonte, habe sich die Drittmittelquote nach vielen Jahren des Anstiegs „seit 2013 auf einem hohen Niveau stabilisiert“ und liege nun bei rund 27 Prozent. „Ich hoffe sehr, das ist nicht nur eine Momentaufnahme, sondern die endlich überfällige Trendwende“, erklärte Rüdiger. Schließlich bilde die Grundausstattung das „stabile Rückgrat der Hochschulen“ – für die Lehre, auch die kleinen Fächer und den Transfer –, was aber „von der Politik seit vielen Jahren sträflich vernachlässigt worden“ sei.
Suche nach Alternativen
Die Drittmittelquote stagniert, weil der Staat mehr Geld in die Hochschulen gibt, aber gleichzeitig die Wirtschaft weniger. Auf diesen Trend macht Andreas Schlüter, Generalsekretär des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft, aufmerksam. Während die Ausgaben der deutschen Unternehmen für Forschung und Entwicklung in 2015 gegenüber dem Vorjahr um 4 Milliarden Euro auf 61 Milliarden Euro gestiegen sei, sind die Drittmittel von Unternehmen an Hochschulen um 1,8 Prozent auf 1,4 Milliarden Euro gesunken. Mit andern Worten: In Sachen Forschung verlieren die deutschen Hochschulen für die deutsche Wirtschaft an Attraktivität. Was ist der Grund?
Aus Sicht Schlüters spielen drei Faktoren eine Rolle: Andere Länder holen auf, etwa Osteuropa und Asien in technischen Fächern; zudem lassen neue Innovationsprozesse die Firmen mehr in unternehmensbezogenen Netzwerken forschen. Schließlich türmen sich neue Hürden durch die Gesetzgebung auf. Der Trend birgt aus Sicht des Stifterverbands eine langfristige Gefahr, indem sich „forschungsintensive Unternehmen zunehmend von einer starken Grundlagenforschung entfernen“, warnte Schlüter. Dadurch leide die „Fähigkeit für einen strategischen und kontrollierten Strukturwandel“. Das Beispiel der Künstlichen Intelligenz in Deutschland zeigt, wie die Politik auf solche Defizite nur noch mit Hauruck-Reaktionen reagieren kann.
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