ForscherInnen über Familienpolitik: Durchwachsenes Zeugnis
Kindergeld und Kitas sind gut, Ehegattensplitting ist schlecht. Das zeigt eine neue Untersuchung familienpolitischer Leistungen.
BERLIN taz | Kindergeld, Kinderzuschlag und Elterngeld tragen dazu bei, dass Familien hierzulande nicht unter die Armutsgrenze rutschen. Das zeigt die Gesamtevaluation der über 150 familienpolitischen Leistungen, die Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) gemeinsam mit WissenschaftlerInnen am Mittwoch vorstellte.
Insgesamt gab der Staat 2010, als die vierjährige Untersuchung begann, rund 200 Milliarden Euro für Familien aus – als direkte Leistungen wie Elterngeld Plus oder indirekt durch Kitabetreuung und Steuererleichterungen. Unüberraschend schlecht schnitten Instrumente wie das Ehegattensplitting und die beitragsfreie Krankenmitversicherung nichterwerbstätiger Ehepartner ab. Sie sorgten zwar kurzfristig dafür, dass mehr Geld in der Familienkasse landet. Langfristig produzierten sie jedoch „negative Effekte“, weil sie viele Frauen von der Erwerbstätigkeit abhielten.
Katharina Spieß vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, das an der Studie beteiligt war, rechnete es vor: Würde es statt des Ehegattensplittings (belohnt die Einverdienerehe) ein Individualsplitting (jeder versteuert das, was er verdient) geben, würde das die Quote erwerbstätiger Mütter mit mittleren und höheren Einkommen um 4 Prozentpunkte steigern. Klingt wenig, ist aber viel, nämlich rund 292.000 arbeitende Frauen mehr.
Darüber hinaus gehe „das Ehegattensplitting an vielen Familien vorbei“, sagte Ministerin Schwesig: „1,6 Millionen Alleinerziehende profitieren davon nicht.“ Das Ehegattensplitting, über das jetzt wieder verstärkt debattiert wird, würde Schwesig trotzdem nicht sofort abschaffen: „Familien genießen Vertrauensschutz.“ Künftig sollte jedoch darüber nachgedacht werden, es so weiterzuentwickeln, dass „alle Familien etwas davon haben“.
Eine „besonders ineffiziente Leistung“ ist laut Spieß die beitragsfreie Krankenmitversicherung. Für sie gibt der Staat jedes Jahr zwischen 10 und 12 Milliarden Euro aus. Würde sie wegfallen, würden etwa 1,1 Prozent Frauen mehr arbeiten gehen.
Als positiv schnitten Leistungen wie Kitaausbau, Steuerzuschüsse für Alleinerziehende und der Kinderzuschlag für Berufstätige mit geringen Einkommen ab. Wie Holger Bonin vom ebenfalls an der Evaluation beteiligten Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung sagte, sorgten sie „für eine wirtschaftliche Stabilität von Familien“ und verringerten „eine Abhängigkeit von Sozialleistungen“ wie Hartz IV. Rund 18.000 Euro gebe der Staat pro Kind für dessen Kita-Betreuung aus. Das ermögliche beiden Eltern, berufstätig zu sein. Das wiederum senke das Armutsrisiko von Familien laut Bonin um 7 Prozent.
Indirekt sorgen die als positiv bewerteten Leistungen sogar für eine höhere Geburtenrate, fanden die ExpertInnen heraus. Bonin sagte: „Geld schafft zwar keine Kinder, trägt aber signifikant zur Realisierung von Kinderwünschen bei.“ Gäbe es beispielsweise weniger oder keine Kitas und Ganztagsschulen, würde die Geburtenrate um 10 Prozent niedriger sein.
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