Forscher über Männerrechtler: "Sie arbeiten gegen Männer"
Antifeministen versuchen, Geschlechterpolitik mit Hassparolen zu torpedieren. Ihre Polemiken finden sich auch im Mainstream. Ein Gespräch über Gender-Freiheit.
![](https://taz.de/picture/231691/14/12011807_maskulisten_phtc.jpg)
taz: Herr Rosenbrock, die antifeministischen Männerrechtler sind ein paar Querulanten, die einen Hass auf Frauen haben. Warum interessieren Sie sich dafür?
Hinrich Rosenbrock: Organisiert sind tatsächlich nur ein paar hundert, zum Beispiel bei "agens" oder "Manndat". Aber ihre Argumentationen wirken in weniger extreme Strömungen hinein. Mit ihren Hassparolen erschweren sie sachliche Debatten über Geschlechterfragen. Teilweise tauchen ihre Botschaften auch in der Mainstreampresse auf, im Spiegel oder in der FAZ.
Wie sieht der Antifeminismus dieser Gruppen aus?
Sie sehen den Feminismus als ein in sich geschlossenes Ideologiemodell, das auf Männerhass beruht. Die vielen Strömungen innerhalb des Feminismus, dessen Zusammenarbeit mit Männern und auch die Ansätze einer emanzipatorischen Männerpolitik sehen sie nicht. Zudem gehen diese Leute davon aus, dass der Feminismus allmächtig sei. Gerichte, Politik, Medien: alles sei vom Feminismus unterwandert.
Wie kommt man angesichts der zahlenmäßigen Machtverhältnisse auf diese Idee?
Zum einen sind da oft persönliche Schlüsselerlebnisse, etwa im Zuge einer Scheidung, bei denen der Mann das Gefühl bekommen hat, am kürzeren Hebel zu sitzen. Zum anderen können viele dieser Männer nicht unterscheiden: Frauen treten öffentlich in Erscheinung, was in manchen Bereichen eine Neuerung ist. Aber das heißt nicht zugleich, dass Frauen dort dominieren, geschweige denn lediglich Interessen von Frauen vertreten.
Geht es auch um Argumente?
Für seine gut hundertseitige Studie "Die antifeministische Männerrechtsbewegung - Denkweisen, Netzwerke und Onlinemobilisierung" hat Rosenbrock Veröffentlichungen, Veranstaltungen, Internetforen und Blogeinträge mehrerer Gruppen und Protagonisten der Antifeministen analysiert und deren Rhetorik untersucht. Die Studie wurde am Freitag von der Heinrich Böll Stiftung online gestellt.
Es gibt wiederkehrende Themen: Die Feministinnen würden die 23-Prozent-Lohnlücke in die Welt setzen, etwa. Real sei die nur 8 Prozent groß. Dabei sind die 8 Prozent nur der unerklärbare Rest der Lohnlücke. Aber "erklärbar", etwa durch Teilzeitarbeit, heißt ja nicht, dass es keine Diskriminierung ist, wenn man keinen Kitaplatz findet und deshalb Teilzeit arbeitet. Beim Sorgerecht verschweigen sie, dass bei 80 Prozent der Scheidungen ein gemeinsames Sorgerecht vereinbart wird. Sie zählen nur die seltenen Fälle, in denen die Väter die Alleinsorge haben und behaupten, dass in allen anderen Fällen die Frau das Sagen habe.
Eigentlich müsste den Männerrechtlern Gender Mainstreaming gefallen, weil es auch Benachteiligungen von Männern benennt. Was ist da los?
In der Praxis hat Gender Mainstreaming oft Frauenpolitik zur Folge, weil Frauen nun mal öfter benachteiligt sind. Da fühlen sich die Männerrechtler dann übervorteilt. Sie sehen Gender Mainstreaming auch als Versuch, angeblich natürliche Geschlechterrollen abzuschaffen. Das Wort Umerziehungsprogramm fällt dann. Dabei meint Gender eigentlich die Freiheit der Wahl, also gerade die Möglichkeit, sein Leben frei von geschlechtlichen Zwangsnormen zu entwickeln. Wer nur die traditionelle Männerrolle propagiert, arbeitet auch gegen die Mehrheit der Männer, die mehr Freiheit durchaus zu schätzen wissen.
Sie sagen, es gäbe Überschneidungen mit Rechtsextremen. Könnten die Männerrechtler nach rechts abdriften?
Es gibt einzelne personelle Überschneidungen. Leute, die in beiden Gruppierungen auftauchen. Männerrechtler geben Interviews in der Jungen Freiheit oder verlinken auf rechte Seiten wie "Free Gender". Die hat dieselbe Adresse wie ein NPD-Kreisverband Thüringen. Man könnte also von Bündnispolitik sprechen.
Bedient Frauenministerin Kristina Schröder die Männerrechtler, wenn sie den Feminismus kritisiert und Jungenpolitik hervorhebt?
Grundsätzlich nicht. Die Perspektive auf die Jungen ist eine sinnvolle Erweiterung der Politik. Aber es gab ein Interview im Spiegel, da fühlten sich die Männerrechtler gestärkt: Auf einer Maskulinisten-Webseite hieß es: "This is what a Masculist looks like" - mit einem Bild von Schröder. Sie hatte mehr Diktate über Fußball statt über Ponys gefordert. Als könnten Diktate nur Stereotype verhandeln. Was ist mit Frauenfußball?
Sie selbst werden nun bei den Männerrechtlern in die Kategorie "lila Pudel" für profeministische Männer fallen. Zudem könnte es Klageversuche geben. Sind Sie gewappnet?
Lila Pudel heiße ich jetzt schon. Für alles andere habe ich eine Rechtsschutzversicherung.
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