Ford und GM unter Druck

■  Bisher lehnten große amerikanische Firmen, deren deutsche Tochterunternehmen Zwangsarbeiter beschäftigten, jede Entschädigungszahlung kategorisch ab

Berlin ( taz) – Mit einer überraschenden Volte sollen die festgefahrenen Verhandlungen zur Entschädigung der Zwangsarbeiter flottgemacht werden. Amerikanische Firmen, deren deutsche Tochtergesellschaften im 2. Weltkrieg massenhaft Zwangsarbeit nutzten, scheinen sich nach unbestätigten Meldungen dazu bereit gefunden zu haben, in den Entschädigungstopf einzuzahlen (siehe nebenstehende Meldung). Bislang wurde vor allem von den amerikanischen Firmengiganten wie Ford und General Motors (GM) jede Entschädigung zurückgewiesen. Die Firmenleitungen in den USA hätten auf die Firmenpolitik der deutschen Töchter während des Weltkriegs angeblich nicht den geringsten Einfluss ausüben können.

Auf den ersten Blick erscheint das Argument stichhaltig, denn sowohl bei der deutschen Ford als auch bei Opel, der 100-prozentigen Tochterfirma von General Motors, wurden Zwangsverwaltungen eingesetzt, bevor der Zustrom von Zwangsarbeitern einsetzte.

Für General Motors hat die Historikerin Anita Kugler 1997 das vorhandene spärliche Material für General Motors minutiös ausgewertet. Sie stellte fest, dass bei Opel erst im November 1942, rund ein Jahr nach Beginn des Krieges mit den USA, ein Zwangsverwalter eingesetzt wurde. Die wesentlichen Entscheidungen bei Opel wurden aber nach wie vor von dem Management getroffen, das bereits vor 1939 eingesetzt worden war und über enge Verbindungen mit dem amerikanischen Mutterkonzern verfügte.

Sowohl Opel als auch Ford waren integraler Bestandteil der deutschen Rüstungsindustrie. Anlässlich von Besuchen in Deutschland erklärte sich nach Kriegsausbruch das amerikanische Management beider Firmen ausdrücklich damit einverstanden, dass die Produktion auf die Bedürfnisse der Rüstung umgestellt wurde. Opel Brandenburg produzierte den „Opel-Blitz“, Ford Köln den „Maut“, beides Militärlastwagen, die in der ersten Phase des Krieges wichtig waren. Opel Rüsselsheim schließlich baute Aggregate für den Junker-Mittelstreckenbomber. So verdiente General Motors als amerikanische Rüstungsfirma an beiden Fronten.

Opel, ein Musterbetrieb der deutschen Rüstungsindustrie, erzielte während des Krieges Gewinne in einem Umfang, der die Kontrollbehörden veranlasste, die entsprechenden Bilanzen geheim zu halten. Nach den Kontrollbestimmungen der deutschen Finanzverwaltung wurde mit Kriegsausbruch den amerikanischen Firmen dieser Gewinn auf einem Sperrkonto der Reichsbank gutgeschrieben. General Motors schrieb die deutsche Tochter steuerlich ab, nach Kriegsende erhielt die Firma – als Entschädigung für die Bombardierung ihrer beiden Werke – 30 Millionen Dollar. Sie schrieb die deutsche Niederlassung ein zweites Mal ab.

Zwischen Henry Ford und Hitler hatten stets herzliche – geschichtsnotorische – Kontakte bestanden, der General-Motors-Bevollmächtigte Mooney traf sich noch nach Ende des Frankreich-Feldzugs mit dem Führer persönlich. Der deutsche Bevollmächtigte und Anwalt Richter, der schließlich bei Opel während des Krieges gegenüber den Nazis die Linie der Selbstverantwortung des Unternehmens durchsetzte, hatte während des ganzen Krieges die Möglichkeit, in die Schweiz zu reisen. Dass er sich dort mit Vertretern von General Motors traf, ist sehr wahrscheinlich, aber nicht nachweisbar. Auch für das deutsche Ford-Management können ähnliche Kontakte vermutet, aber nicht nachgewiesen werden.

Ford und General Motors setzten während des 2. Weltkriegs zunächst Kriegsgefangene, dann „Westarbeiter“, nach dem Beginn des Überfalls auf die Sowjetunion auch zunehmend „Ostarbeiter“ aus den besetzten Territorien der Sowjetunion ein. Die Entlohnung folgte dem üblichen West-Ost-Gefälle, also von 60 Prozent des deutschen branchenüblichen Lohns bis null (für die Zwangsarbeiter). Bei Opel Rüsselsheim waren die Ostarbeiter in einer Barackenkette stationiert, bei Ford wurde im August 1944 ein KZ-Außenlager errichtet. Die Verpflegung der Zwangsarbeiter war überall völlig unzureichend. Strafmaßnahmen des Bewachungspersonals waren bei Ford häufiger, während sich Opel bemühte, ein System von Zuckerbrot und Peitsche zu etablieren.

Christian Semler