Folgen des Klimawandels: „Nothilfe reicht nicht“
Wenn sich Krise an Krise reiht: Dem Klimawandel begegnet Thandie Mwape vom Roten Kreuz Afrika in ihrer Arbeit immer häufiger.
taz: Frau Mwape, wenn es eine humanitäre Katastrophe in Afrika gibt, springt Ihre Organisation ein. Wie oft haben Sie mit dem Klimawandel zu tun?
Thandie Mwape: Wir erleben zum Beispiel in manchen Regionen intensive Dürren, dann wieder regelmäßig Überschwemmungen. Daran schließen sich Probleme an, Hunger, Krankheit, Pandemie, Mangelernährung, vor allem bei Kindern und Frauen. Der Klimawandel ist ein starker Treiber für humanitäre Probleme in Afrika. Soll ich Beispiele nennen?
Ja, bitte.
Jetzt gerade gibt es in Kenia, Somalia und Äthiopien zum Beispiel 20 Millionen Menschen, die dieses Jahr wohl die humanitäre Hilfe in einer Hungerkrise brauchen. Das ist ein Resultat wiederholter Dürreperioden. Die Leute haben nach einer Dürre nicht die Zeit, sich zu erholen, bevor die nächste Dürre beginnt. Kenia hat schon im vergangenen Jahr einen Hunger-Notstand ausgerufen. Madagaskar wurde eine Zeit lang sogar als das erste Land bezeichnet, das eine richtige Klima-Hungersnot erleidet, …
ist Koordinatorin für humanitäre Diplomatie im Regionalbüro Afrika der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmond-Gesellschaften. Sie hat Journalismus, internationale Beziehungen und humanitäres Völkerrecht in Sambia, Großbritannien und den USA studiert. Aktuell lebt sie in Johannesburg/Südafrika.
… bis eine Studie ergab, dass ausgerechnet in diesem Fall nicht der Klimawandel an der Trockenheit Schuld war.
Aber die Krisen überschlagen sich. Anfang dieses Jahres wurde Madagaskar innerhalb von drei Wochen von drei tropischen Stürmen getroffen. Dem mussten sich dieselben Menschen stellen, die immer noch mit dem Hunger wegen der Dürre kämpfen. Und natürlich auch mit der Coronapandemie. In Westafrika hingegen ist Bodendegredation ein großes Problem. Oder ein anderes Beispiel: Im Jahr 2020 mussten wir beim IFRC elf afrikanische Länder gleichzeitig unterstützen, die gerade mit Überschwemmungen zu kämpfen hatten.
Diese Komplexität und Vielfalt der Krisen spielt auch im neuen Bericht des Weltklimarats eine Rolle. Wer ohnehin schon viele Baustellen hat, zum Beispiel auch Armut, kann die negativen Folgen des Klimawandels schlechter abfedern und hat ein höheres Risiko, warnen die Wissenschaftler:innen.
Ja, den Klimawandel kann man nicht mit Tunnelblick betrachten. Er verschärft Verwundbarkeit, sowohl auf dem sozialen, als auch auf dem wirtschaftlichen Level. Klimawandelbedingte Schäden und Verluste nehmen definitiv zu und es sind die ärmsten Menschen, die vor allem mit diesen Grenzen der Anpassung zurechtkommen müssen.
Um ihnen zu helfen, sind Sie davon abhängig, dass andere Menschen freiwillig Geld spenden. Reicht das?
Gerade bei langanhaltenden Problemen ist das schwierig, die Aufmerksamkeit schwindet. Da müssen wir sehr innovativ arbeiten. Natürlich sind wir da, um Leben zu retten, wenn Menschen akut hungern oder überflutet werden. Nothilfe reicht aber generell nicht aus beim Klimawandel. Wir versuchen deshalb auch, langfristige Projekte aufzubauen, die Menschen langfristig ein sicheres Leben und einen Lebensunterhalt ermöglichen.
Sollten die Industrieländer dem globalen Süden Geld zahlen, nicht als Spende im Notfall, sondern regelmäßig als Kompensation von Schäden und Verlusten?
Ja, ich denke schon. Es gibt eine internationale Vereinbarung, dass der globale Norden aktuell jedes Jahr 100 Milliarden US-Dollar an den globalen Süden zahlt.
Das Geld darf aber nur für Klimaschutz genutzt werden und für die Anpassung an den Klimawandel, nicht für eingetretene Schäden.
Und es ist bisher bei Weitem nicht geliefert worden. Noch fließt davon auch nicht genug in die Anpassung, aber das nimmt an Fahrt auf. Klimafinanzierung muss dem globalen Süden helfen, sich anzupassen – aber auch auf Katastrophen reagieren zu können.
Ich will aber auch noch Aufmerksamkeit darauf lenken, dass diese Menschen nicht hilflos sind. Sie haben eigene Lösungen. Ich war auf der Messe Dubai Expo und war beeindruckt, zum Beispiel von Frauen, die in der Sahel-Zone Unternehmen aufbauen wollen – einer Region, die oft einfach nur als vulnerabel gesehen wird.
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