Folgen der Diktatur in Uruguay: Militärs müssen vor Gericht
Mit knapper Mehrheit hebt der Senat die Amnestie für Folterer und Mörder der Diktatur auf. 40.000 Menschen waren damals verhaftet, die meisten wurden gefoltert.
BUENOS AIRES taz | Uruguay hat einen weiteren Schritt unternommen, um die Verbrechen der letzten Militärdiktatur juristisch aufklären zu können. Am späten Dienstagabend stimmen 16 von 31 Senatoren für die Aufhebung des Amnestiegesetzes aus dem Jahr 1986. Bereits im Oktober 2010 hatte das Abgeordnetenhaus mit 50 zu 49 Stimmen die Aufhebung beschlossen. Jetzt müssen kleine Änderungen des Senates am 4. Mai abermals bestätigt werden. Das letzte Wort hat dann Präsident José Mujica.
Das "Gesetz über die Hinfälligkeit des Strafanspruchs des Staates" war im Dezember 1986 unter dem damaligen Präsident Julio María Sanguinetti (1985-1990) vom Parlament beschlossen worden. Seither sichert es allen Polizei- und Militärangehörigen Straffreiheit für vor dem 1. März 1985 begangene Menschenrechtsverletzungen zu.
Die Militärs hatten 1973 die Macht übernommen und diese erst 1985 wieder abgegeben. Uruguay galt damals als "Folterkammer Lateinamerikas". Insgesamt wurden 40.000 Menschen während der Diktatur aus politischen Gründen inhaftiert, die meisten gefoltert, viele ermordet. Der Verbleib von knapp 200 Personen ist bis heute unbekannt.
Bereits zweimal wurde das Amnestiegesetz durch eine Volksbefragung bestätigt. Erstmals hatte sich die Bevölkerung im April 1989 gegen dessen Aufhebung ausgesprochen. Das zweite Referendum war gemeinsam mit den letzten Präidentschaftswahlen am 28. November 2009 abgehalten worde. Und während die Wahlberechtigten mehrheitlich für José Mujica als ihren neuen Präsidenten stimmten, lehnten sie die Aufhebung des Amnestiegesetzes erneut ab.
"Aus Gründen der Parteidiziplin"
Der Vorwurf der Opposition ist denn auch, dass die Regierung und deren Abgeordneten und Senatoren den Willen der Bevölkerung mit Füßen treten. Das Argument trifft selbst die Regierungspartei "Frente Amplio". Nach seiner Zustimmung "aus Gründen der Parteidiziplin" gab Senator Eleuterio Fernández Huidobro noch am Dienstagabend sein Mandat zurück. Huidobro, Spitzname "Ñato", gehörte 1965 zu den Gründungsmitgliedern der Tupamaro-Stadtguerilla, in der auch Präsident José Mujica aktiv war. Beide waren während der Militärdiktatur lange inhaftiert.
Risse hatte das Amnestiegesetz bereist im Oktober 2010 bekommen. Damals verurteilte ein Gericht in der Hauptstadt Montevideo den noch aktiven General Miguel Dalmao und den früheren Obert José Chialanza wegen Mordes. Im konkreten Fall ging es um die Ermordung der 24-jährigen Kommunistin Nibia Sabalsagaray. Die Verurteilung der beiden Militärs wurde möglich, nachdem die Generalversammlung des Kongresses im Februar 2009 das Amnestiegesetz in diesem Fall für verfassungswidrig erklärte.
Der Oberste Gerichtshof hatte die Parlamentsentscheidung nicht nur bestätigt, sondern auch festgestellt, dass das Amnestiegesetz insgesamt verfassungwidrig sei. Die Begründung: Mit der Verabschiedung des Amnestiegesetzes 1986 haben sich die Parlamentarier Befugnisse angemaßt, die ihnen nicht zugestanden hatten und hatten somit gegen die Gewaltenteilung verstoßen. Damit machten die obersten Richter den Weg frei über Einzelfallklagen eine Strafverfolgung zu erreichen. Wenn Präsident Mujica die Senatsentscheidung bestätigt, ist jetzt eine umfassende Aufarbeitung möglich.
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