: Fokker: Die Russen kommen, vielleicht
■ Rentable Teile der Flugzeugfirma sind verkauft. Was wird aus dem Rest?
Amsterdam (taz) – Willem van Kooten, Ex-Diskjockey und Kleinstpartner des TV-Unterhaltungs-Tycoons John de Mol, wundert sich: Die am 15. März pleite gegangene Flugzeugfabrik Fokker hat noch für fast ein Jahr Aufträge, gelegentlich trudeln gar neue Aufträge herein. Bis zum April 97 hat Fokker noch 15 Maschinen, darunter sieben für die KLM, abzuliefern. Und da soll ein Neustart nicht möglich sein? Und wenn, warum dann nicht mit ihm?
Nicht nur van Kooten meint, mit Fokker müßte doch noch Staat zu machen sein – notfalls auch ohne Staat. Joep van Niewenhuizen, Spekulant, Selbstdarsteller und risikofreudiger Unternehmer, der zeitweise auch die Deutsche Waggonbau AG übernehmen wollte, würde auch gern die Flugzeugfabrik kaufen. Und dann ist da noch Jaap Rosen Jacobson, ebenfalls ein bekannter niederländischer Unternehmer, der sich einen Neustart unter seiner Regie vorstellen könnte.
Last, but not least: Die Russen wollen kommen, vielleicht. Die Flugzeugfirmen Jakovlev und Tupolev wollen 370 Millionen Gulden (333 Millionen Mark) in Fokker stecken. Seit März strecken die Russen immer mal wieder die Fühler aus – aber sie erfreuen sich nicht eben großer Wertschätzung in Holland. Dabei klingt der Plan gar nicht so schlecht. Jakovlev-Chef Viktor Gloechich will Fokker nicht aufkaufen, sondern ein Joint-venture gründen. Dann müßten sich die Russen nicht mit den Schulden belasten.
In zwei bis drei Jahren sollen dann die Fokker-Rümpfe statt aus Deutschland und die Flügel statt aus Nordirland jeweils aus Rußland kommen – wo man wegen der geringeren Lohnkosten mindestens 25 Prozent billiger produzieren könnte. Die Russen rechnen im eigene Land mit bis zu 10.000 neuen Arbeitsplätzen. Nun liegt alles an der russischen Regierung und an westlichen Banken, die Kreditgarantien geben müßten.
Der Plan ist gar nicht so schlecht, denn in Rußland scheint der Markt gigantisch. Nach dem Auseinanderfallen von Sowjetunion und Aeroflot fliegen Tausende veraltete Maschinen für Hunderte zweifelhafter Fluggesellschaften. Wenn irgendwann einmal auch der russischen Regierung der Zahl der Abstürze zu hoch ist, dann wird ein gewaltiger Modernisierungsschub nötig sein.
Überlebensfähige Fokker- Teile sind bereits verkauft
Die Zeit drängt aber. Die Konkursverwalter haben kürzlich schon die als überlebensfähig betrachteten Teile Fokkers namens Fokker Aviation an den niederländischen Maschinenbaukonzern Stork verkauft. Stork zahlte 302,5 Millionen Gulden für die in Woensdrecht, Hoogeveen, Papendrecht, Ypenburg und Schiphol sitzenden Firmenteile, die sich mit dem Unterhalt von Flugzeugen sowie der Produktion von Rüstungsgütern befassen. 2.300 Menschen konnten aufatmen, ihre Arbeitsplätze sind gerettet.
Stork übrigens ist nun mit einem Umsatz von fünf Milliarden Gulden und 22.400 Mitarbeitern eine der größten niederländischen Firmen. Fokker Aviation, inzwischen mit einem eigenen Logo versehen, soll in diesem Jahr 600 Millionen Gulden (540 Millionen Mark) umsetzten, für 1997/98 sollen es 800 Millionen Gulden sein. Ein Drittel aller Kapazitäten ist dem Unterhalt der 1.200 weltweit herumfliegenden Fokker-Maschinen vorbehalten. Fokker Aviation hat überdies eine Lizenz für den Unterhalt von Boeing-737-Maschinen, einer der am weitesten verbreiteten Flieger der Welt.
Hoffnungen und Spekulationen blühen derweil weiter. Die Konkursverwalter wollen erneut mit den vier Interessenten van den Nieuwenhuizen, Jacobsen, van Kooten und den Russen verhandeln. Angeblich soll sich auch der koreanische Konzern Samsung wieder gemeldet haben, auch weil dieser ja nun doch nicht mit den Chinesen ein neues Flugzeug für den asiatischen Markt bauen wird.
Unterdessen sinken jedoch von Woche zu Woche die Chancen, daß es zu einem neuen Start von Fokker kommt, denn viele Mitarbeiter haben sich inzwischen schon einen Job gesucht. Die Konkurrenten Boeing und Saab haben bereits 75 Ex-Fokkerianer eingestellt. Ohne ihre Spezialtechniker aber ist die alte Firma nur noch ein Skelett.
Aus der befürchteten größten Massenentlassung der niederländischen Geschichte ist nun offenbar doch keine Katastrophe geworden. Von 4.700 Mitarbeitern der Fokker-Endmontagefabrik haben nach vorläufigen Zahlen des Arbeitsamtes immerhin 2.800 einen neuen Arbeitsplatz gefunden – das sind etwa 60 Prozent. Weitere 2.300 arbeiten nach der Übernahme durch Stork bei Fokker Aviation weiter. Einige hundert Arbeitnehmer haben außerdem noch knapp ein Jahr mit der Endmontage der vorläufig letzten Aufträge Fokkers zu tun. Falk Madeja
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