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Förderung von Anti-Rechts-ProjektenNur noch bis zum Jahresende

Giffeys Ministerium will seine Förderpolitik umstellen. Anti-Rechts-Projekte fürchten um ihre Dachverbände und kritisieren die SPD-Familienministerin.

In einem offenen Brief kritisieren die mehr als 160 ForscherInnen Giffeys Ministerium Foto: dpa

BERLIN taz | Es sind schwierige Tage für Franziska Giffey. Die SPD-Familienministerin steht wegen Plagiatsvorwürfen unter Druck, offen wird über ihre Ablösung diskutiert. Und nun üben auch noch WissenschaftlerInnen Kritik an Giffey – wenn auch aus anderem Grund.

In einem offenen Brief kritisieren die mehr als 160 ForscherInnen, dass Giffeys Ministerium die Dachverbände für Anti-Rechts-Projekte ab 2020 nicht mehr fördern will. Man habe von dem Plan mit „großer Bestürzung erfahren“. Man kenne die Dachverbände aus direkter Zusammenarbeit und Evaluationen, diese hätten „zentrale Impulse“ in der Präventionsarbeit geleistet, sie trügen zu einem „unschätzbar wichtigen Wissenschafts-Praxis-Dialog“ bei und seien eine „Erfolgsgeschichte“. Die Verbände „zu demontieren“, sei verantwortungslos“.

Unterschrieben wurde der Brief etwa von dem Bielefelder Sozialforscher Andreas Zick, der Göttinger Universitätsdirektorin Sabine Hess oder dem Antisemitismusforscher Samuel Salzborn.

Tatsächlich will Giffeys Ministerium eine Kehrtwende vollziehen. Bis Jahresende finanziert das dort angesiedelte Bundesprogramm „Demokratie leben!“ Projekte mit 115,5 Millionen Euro. Ein Zehntel davon geht an Anti-Rechts-Initiativen – wozu bisher auch die drei Dachverbände für die Opferberatung, die Aussteigerhilfen und die Mobile Beratung für Kommunen gehörte.

Künftig, so eine Sprecherin Giffeys, sollen statt großer Verbände nun einzelne „Kompetenzzentren“ für bestimmte Themenfelder gefördert werden, die ihre Expertise dann bundesweit teilten. Dies betreffe auch andere Dachverbände.

Die Arbeit der Beratungsstellen gegen Rechtsextremismus bleibe dabei aber „von besonderer Bedeutung“, betont die Sprecherin. Aktuell habe man dafür fast elf Millionen Euro an Bundesmitteln bereitgestellt – 2,3 Millionen Euro für die Opferberatung, 6,8 Millionen Euro für die Mobile Beratung und 1,7 Millionen Euro für die Ausstiegsberatung. In der neuen Förderperiode ab 2020 werde die finanzielle Förderung insgesamt sogar „noch stärker“ ausfallen.

Judith Porath vom Dachverband der OpferberaterInnen beruhigt das nicht. Ihr Dach Verband organisiere Weiterbildungen für die einzelnen Projekte, sorge für Qualitätssicherung, Netzwerk- und Lobbyarbeit. „All das wird nun, nach Jahren des Aufbaus, zusammenbrechen.“ Wenn das Ministerium bei seiner Entscheidung bleibe, müsse man zum Jahresende die Geschäftsstelle des Dachverbands schließen, so Porath. Ausgerechnet in der momentanen gesellschaftlichen Situation würde dann eine gemeinsame Stimme der Beraterprojekte gegen Rechtsextremismus fehlen.

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4 Kommentare

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  • Hallo PippiLangstrumpf,



    die Fördermittel stehen nach wie vor zur Verfügung, allerdings müssen sie von den Ländern beantragt werden, und die Dachverbände müssen das Geld wiederum bei den Ländern beantragen. Das soll laut Ministerium dazu führen, dass nur die Mittel fließen, die auch wirklich gewollt sind. Der Haken: Es werden nur die Mittel fließen, die von den jeweiligen Landesregierungen gewollt sind, und deren Sicht muss nicht mit den Bedarfen der Beratungsstellen übereinstimmen.



    Die Dachverbände organisieren eben Vernetzung, Qualifizierung, Weiterentwicklung, sind also für alle Beratungsstellen unverzichtbar.



    Aus meiner Sicht ein schwerer und nicht nachvollziehbarer Schlag.

  • Ein Aus für die erfolgreiche Arbeit gegen Rechtsextremismus der Dachverbände? Und das, nachdem Giffey sogar eine Abteilung zur Demokratieförderung im BMFSFJ geschaffen hat? Ich war baff und Fragen haben sich mir aufgestellt. Leider bleibt der Artikel absolut vage, was konkret die Punkte der Neuauflage von "Demokratie Leben!" sind, die anscheinend problematisch sind. Was bedeutet das, Kompetenzzentren, und in wie fern schadet es tatsächlich der Strukturförderung der Bundesverbände? Im Förderaufruf des BMFSFJ zur Neuauflage von Demokratie Leben! heißt es:

    "Im Rahmen des Bundesprogramms wird jeweils ein Kompetenznetzwerk oder ein Kompetenzzentrum pro Themenfeld gefördert. Die Zuwendungen werden an einzelne Träger grundsätzlich als Teilfinanzierung in Form von nicht



    rückzahlbaren Zuschüssen gewährt. Dabei werden zur Finanzierung der Maßnahmen maximal



    500.000,00 EUR pro Jahr je Zuwendungsempfängerin bzw. Zuwendungsempfänger aus



    Bundesmitteln auf Antrag zur Verfügung gestellt."



    (Quelle: www.demokratie-leb..._barrierefrei.pdf)

    Daraus erschließt sich mir ehrlich gesagt noch nicht, dass die Bundesverbände zur Opfer-, Ausstiegs- und Mobilen Beratung nicht mehr strukturell gefördert werden. Die Idee der Kompetenzzentren/-netzwerke soll meiner Meinung nach dazu führen, die Kooperation unter den Dachverbänden zu stärken. Ich würde mich wünschen, dass die taz hier noch einmal stärker beleuchtet, in wie fern die Bündelung von Kompetenzzentren wirklich die Strukturförderung gefährdet.

    Interessant fände ich auch, was die jeweiligen möglicherweise betroffenen Dachverbände dazu sagen? Die Sorge zur Strukturförderung wurde vor allem in einem offenen offenen Brief brandenburgischen Landesverbands Opferperspektive e.V. geäußert.

    Es ist ein interessantes Thema und wichtig zu beleuchtet, aber mir scheint, hier wird "Skandal" geschrien, ohne wirklich die Lage tiefgründig zu beleuchten.

  • Giffey ist Teil des Problems - wer würde da ernsthaft eine Besserung , wenn nicht Lösung, erwartet haben ?

  • Spezialdemokraten und ihre Angst, Rechtsradikalen doch noch einen Anlass zu bieten, für antifaschistische Haltung als „links“ bezeichnet zu werden. Das Gift der rechten Lagerpropaganda scheint bei manchen vorauseilenden Gehorsam auszulösen und neue Scheren in ihre Köpfe zu implantieren.