Fördermittel für Stasi-Gedenkstätte: Völlig neue Horizonte
Hohenschönhausen bekommt fünf Millionen Euro, um über linksmilitante Gewalt zu forschen. Nähe zur AfD weist die Berliner Gedenkstätte zurück.
Das abnehmende Interesse an der DDR-Vergangenheit sowie Sorge um perspektivisch versiegende Geldquellen mögen Anlass für den Leiter der Gedenkstätte, Hubertus Knabe, gewesen sein, sein Betätigungsfeld zu erweitern. Im Moment erhält die Gedenkstätte noch einige weitere projektbezogene hunderttausend Euro vom Bund und neuerdings eine Zulage von 1,4 Millionen Euro für die Erstellung eines Registers der Opfer des Stalinismus. Die institutionelle Förderung in Höhe von jährlich 4,8 Millionen Euro wird jeweils zur Hälfte vom Land Berlin und dem Staatsministerium für Kultur des Bundes getragen.
Fünf Millionen Euro zusätzlich eröffnen nun völlig neue Horizonte: ein neues Gebäude auf dem Gelände vielleicht und dazu Dutzende Stellen für engagierte KämpferInnen gegen den Linksextremismus. Ein Sprecher der Gedenkstätte erklärte gegenüber der taz, dass man „gern die Erforschung der Ursachen und Erscheinungsformen des Linksextremismus verbessern und zugleich die Präventionsarbeit ausbauen“ wolle. Er betonte jedoch, dass dabei „alle Formen extremistischen, anti-demokratischen Denkens thematisiert werden sollen“.
Der Gedenkstätte scheint hier eine Ergänzung zum Göttinger Institut für Demokratieforschung vorzuschweben. Die Niedersachsen legen ihren Schwerpunkt nicht zuletzt wegen mangelnder empirischer Notwendigkeit traditionell eher weniger auf Linksextremismus. Auch das Dresdener Hannah-Arendt-Institut, lange Zeit Speerspitze der Extremismustheorie, konzentriert sich vor allem auf die NS-Forschung.
Die verbliebene Leerstelle muss für die Union im Bundestag recht schmerzhaft sein, weshalb sie eine jährliche Förderung für Hohenschönhausen avisierte. Das wiederum überzeugte ihre Koalitionspartner nicht – die SPD-VertreterInnen ließen in der Haushaltsbereinigung Ende Juni fürs erste nur einmalig die fünf Millionen durchgehen, gebunden an das Programm „Demokratie leben“.
Die Zweifel begründet die SPD-Abgeordnete Svenja Stadler etwa mit den ungeklärten Vorwürfen einer rechten Unterwanderung im Umfeld der Gedenkstätte. Vor Kurzem trennte sich die Stiftung von einem Mitarbeiter, der den Holocaust verharmlost hatte. Dazu legte Knabe die Zusammenarbeit mit dem Förderverein der Gedenkstätte auf Eis. Dort wiederum eskaliert derzeit ein Streit über AfD-Nähe und die regelmäßige Autorenschaft des Vorsitzenden, Jörg Kürschner, für die Rechtspostille Junge Freiheit.
Unter diesen Umständen nimmt es nicht Wunder, dass Hubertus Knabe in der vergangen Woche jede Nähe der Stiftung zur AfD entschieden zurückwies. Ob diese Distanzierung den Trägern in Bund und Land genügt, ist jedoch fraglich. Das Staatsministerium zum Beispiel begrüßt zwar die Trennung vom Förderverein, erklärt gegenüber der taz jedoch: „Weitere Aufklärung ist allerdings geboten und notwendig“, und spielt den Ball an das Land Berlin, das die Rechtsaufsicht über die Gedenkstätte hat.
Stiftungszweck extrem weit ausgelegt
Kultursenator Klaus Lederer, Vorsitzender des Stiftungsrates, hatte derweil von der Millionenförderung bis zu einem Bericht der taz keine Kenntnis und konnte Ende vergangener Woche zu den Plänen der Gedenkstätte nur mitteilen: „Dem Stiftungsrat sind keinerlei konzeptionelle Überlegungen für ein Forschungszentrum bekannt.“ Die zweite Vertreterin des Landes im Stiftungsrat, Justizstaatssekretärin Martina Gerlach, ist im Urlaub. Auch der Beirat der Stiftung hat keine Kenntnis von den Plänen.
Die Bekanntgabe neuer Projekte gegenüber den Aufsichtsgremien erst nach Bewilligung ist ein durchaus übliches Verfahren der Gedenkstätte. In diesem Fall kann es jedoch nach hinten losgehen. Der Stiftungszweck, die Aufarbeitung der Verbrechen des SED-Regimes, wird mit einer Förderung für Linksextremismusprävention in dieser Höhe schließlich extrem weit ausgelegt, wenn nicht sogar verletzt. Und selbst bei der Erledigung der eigentlichen Aufgabe der Stiftung scheint der Berliner Senat erhebliche Zweifel an der Kompetenz in Hohenschönhausen zu haben. Der Betrieb eines neuen Lernortes in einem ehemaligen DDR-Polizeigefängnis wurde gerade erst anderweitig vergeben.
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