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Fluthilfe nach wie vor wichtig

aber leider nicht mehr selbstverständlich

Vom 23. 9. 02 bis zum 27. 9. 02 weilten 18 Schüler mit zwei Lehrerinnen der Kurt-Tucholsky-Oberschule Berlin-Pankow zur Fluthilfe in Kleinbothen bei Grimma. Sie verlagerten ihre Projektwoche dorthin, um Hochwasserschäden auf dem Feld zu beseitigen. Im Gepäck befand sich auch ein Scheck von über 7.000 Euro für den Wiederaufbau des Kösserner Sportplatzes. Das Geld hatten sich die Schüler bei einem Benefizlauf erlaufen. Die evangelische Gemeinde des kleinen Ortes kümmerte sich um die Unterbringung der Jugendlichen, der Förderverein der Schule finanzierte die Verpflegung.

Eine Woche vor Beginn der Reise wurde der Gruppe mitgeteilt, dass die Deutsche Bahn AG keine kostenlosen Transporte in Krisengebiete mehr durchführt. Die Begründung der zuständigen Angestellten lautete: „Es ist keine Fluthilfe mehr nötig!“ Verzweifelt, dass ihre Fahrt buchstäblich ins Wasser fällt, und empört über eine derartige Aussage wandten sich die Lehrerinnen an die Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus und an diverse Radiosender der Stadt. Nur die PDS bemühte sich um Hilfe. Frau Schaub, Mitglied des Petitionsausschusses, nahm Kontakt zu verschiedenen Stellen der Bahn AG auf, stieß jedoch ebenso auf wenig Unterstützung.

Kurzfristig und spontan sagte Herr Köhler von der BVG Hilfe zu und die Schüler wurden kostenlos mit einem Reisebus zum Ort transportiert und auch wieder abgeholt!

Die 18 Schüler sahen die katastrophalen Zustände nach der Flut nicht nur auf dem von Steinen übersäten Feld des Bauern Steuer, sondern erfuhren auch im Gespräch mit anderen Betroffenen, dass bisher in ihrer Region kaum finanzielle Hilfe erfolgt ist, ja nicht einmal Gutachten erstellt wurden. Die Bürokratie schleicht ihren langsamen Weg, Hilfsaktionen erfolgen häufig nur durch private Initiative. Viele Menschen fühlen sich mit ihren Problemen allein gelassen.

Nach der Euphorie in den ersten Wochen lässt auch die aktive Hilfe deutlich nach. Die Medien berichten höchstens noch in den lokalen Ausgaben der Krisengebiete, längst sind Berichte über Wahlen, Koalitionsgespräche und Steuererhöhungen wichtiger als die Not der vielen Opfer in den Flutgebieten.

Dass Mitarbeiter der Deutschen Bahn AG sich derart äußern, dass nur eine Fraktion sich um Hilfe bemüht, dass kein Radiosender die Schüler unterstützt, war für die 16- bis 18-Jährigen unverständlich. Umso größer ist der Dank an die Mitarbeiter der BVG, die offensichtlich mehr Verständnis für die betroffenen Menschen in Sachsen haben und echte Solidarität auch einen Monat nach der Flut kennen! GRIT WÖHLERT, Lehrerin, Berlin

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.

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