Flugroutenprotest setzt sich fort: Bürger wollen ungehorsam sein
Viele Friedrichshagener haben die Hoffnung aufgegeben, noch etwas an den Flugrouten ändern zu können. Jetzt macht sich Wut breit.
Auf den ersten Blick scheint es eine Flugrouten-Demo wie immer zu sein: Rund 1.000 Bürger stehen auf dem Marktplatz Friedrichshagen. Ralf Müller, Sprecher der Friedrichshagener Bürgerinitiative (FBI), heizt der Menge ein. Schilder werden in die Luft gehalten, Bürgerinnen und Bürger verausgaben sich mit Tröten und Trillerpfeifen. Und doch ist die Stimmung irgendwie anders. Einige haben die Hoffnung, Flugrouten oder Flughöhen beeinflussen zu können, längst aufgegeben. Aber Resignation und Wut haben sich breitgemacht - und die Leute wollen ihrem Ärger Luft machen.
Die Bekanntgabe der Flugrouten durch das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BFA) überraschte am Donnerstag nicht mehr wirklich - Informationen, dass der Müggelsee künftig in 1.150 Meter Höhe überflogen wird, waren durchgesickert. Die FBI will nun gemeinsam mit dem Umweltverband Grüne Liga Berlin e. V. ein EU-Beschwerdeverfahren einleiten - weil es keine Umweltverträglichkeitsprüfung für den zukünftigen Großflughafen gab.
Bei den Demonstranten macht man sich über den Erfolg eines solchen Verfahrens keine Illusionen. "Wir sind zwar moralisch im Recht, aber die gucken sowieso nur auf das Geld", sagt etwa Mario Eckardt. Ein Rentner pflichtet ihm bei: "Ich habe jede Hoffnung verloren, was dieses Verfahren angeht."
Und so richtet sich die Wut vor allem gegen die Politik - gegen Klaus Wowereit. Als dessen Bild auf einer großen Leinwand erscheint, ertönt ein gellendes Pfeifkonzert. Demonstranten skandieren "Verräter!" und "Lügner!", schließlich: "Wir sind das Volk!" "Es lebe die verlogene Republik!", ruft Ralf Müller.
Als sie vor drei Jahren in Friedrichshagen ein Haus gebaut hat, sagt Anwohnerin Ilona Dümchen, sei von der Müggelseeroute noch keine Rede gewesen: "Hinter dem Rücken der Bürger wurden hier Festlegungen getroffen und nicht rechtzeitig bekannt gemacht." Sie und ihre Bekannten befürchten, dass nun "die gesamte Gegend den Bach runtergeht".
Und dann finden sich doch noch einige, die noch nicht jede Hoffnung verloren haben. Mario Eckardt, vor 25 Jahren nach Friedrichshagen gezogen, ist überzeugt: "Unser Protest ist noch immer laut - und er hat Signalwirkung, sodass davon auch andere Initiativen profitieren werden." Auch Rentnerin Siegrid Hintze, die 1960 an der örtlichen Schule ihr Abitur gemacht hat, ist bereit, "bis zum Schluss zu kämpfen", wie sie sagt. Zusammen mit Initiativensprecher Ralf Müller fordert sie die Demonstranten zu zivilem Ungehorsam auf. Wie der aussehe? "Da gibt es viele Möglichkeiten", sagt Ralf Müller. "Vielleicht besetzen wir die Wartehalle des Flughafens."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Foltergefängnisse in Syrien
Den Kerker im Kopf
Parteiprogramme für die Bundestagswahl
Die Groko ist noch nicht gesetzt
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?