Fluglotsen in Smolensk: Unklare Signale aus dem Tower

Jetzt kommt die Gegenvariante. Laut Warschauer Ermittlungen sollen die Fluglotsen in Smolensk für den Absturz der polnischen Präsidentenmaschine mitverantwortlich sein.

Trauma für die russisch-polnischen Beziehungen: der Absturz bei Smolensk. Bild: reuters

WARSCHAU taz | "Die Russen haben die polnischen Piloten belogen", "Der Tower führte die Tupolew in die Irre" und "Die Russen legen den Todespfad fest" titelt Polens Boulevardpresse nur einen Tag, nachdem Polens Regierung erste Ermittlungsergebnisse zum Absturz des Präsidentenflugzeugs im April 2010 vorstellte.

Innenminister Jerzy Miller hatte sich bewusst auf die Gespräche im Tower des Militärflughafens von Smolensk konzentriert. Schuld an der Katastrophe seien Piloten und Fluglotsen, so Miller. Es könne nicht sein, dass die Internationale Luftfahrtkommission MAK in Moskau die Situation im Flughafentower von Smolensk ausspare und allein den Polen die Schuld zuweise. Die Präsentation sollte den Abschlussbericht der MAK ergänzen.

Seit Wochen erklärt Oberst Edward Klich immer wieder, dass die Tupolew 154 am 10. April 2010 gar nicht hätte starten dürfen: Das Wetter in Smolensk war zu schlecht und der dortige Militärflughafen zu primitiv für einen Blindflug ausgestattet. Klich war als einziger Pole berechtigt, an allen Ermittlungen der MAK teilzunehmen. Am Fernsehschirm konnten nun auch die Polen mitverfolgen, was am Unglückstag im Cockpit und im Tower von Smolensk geschah. Die Anspannung war hier wie dort groß. Piloten und Fluglotsen hatten Angst, eine Entscheidung zu fällen, die politische Konsequenzen haben konnte.

Als in Warschau um 7.22 Uhr Ortszeit Präsident Kaczynski ins Flugzeug steigt, versucht im westrussischen Smolensk eine russische Il-76 zu landen. Die Maschine erhält wegen des dichten Nebels keine Landegenehmigung. Sie fliegt in 56 Meter Höhe über den Flughafen hinweg. Im Tower flucht Oberst Nikolai Krasnokutski, der Vorgesetzte der beiden Lotsen. Zuvor war eine polnische Jak-40, obwohl sie ebenfalls keine Landegenehmigung bekommen hatte, unter Schwierigkeiten gelandet.

Kaum war die Präsidentenmaschine in Warschau gestartet, fragte der Tower in Smolensk in Moskau an, was zu tun sei, da der Nebel immer dichter werde. Krasnokutski: "Wir müssen für sie einen Ausweichflughafen suchen." Aus Moskau kommt die Antwort "Wnukowo" (Flughafen in Moskau). Krasnokutski jedoch gibt den Lotsen die Anweisung, den polnischen Piloten zu erlauben, die Maschine bis auf 100 Meter herunterzubringen. Sollten die Piloten dann nichts sehen, sollten sie abdrehen.

Vom Boden aus war die Maschine selbst in einer Höhe von 56 Metern, wie Filmaufnahmen vom Landeversuch der Il-76 zeigen, nur als Umriss zu erkennen. Nach Ansicht der polnischen Untersuchungskommission hätten die Lotsen bei diesen fatalen Wetterbedingungen der Maschine in jedem Fall die Landung verbieten müssen.

Obwohl die Maschine im Landeanflug erst zu hoch, dann zu tief und zudem mehrere Dutzend Meter abseits der Ideallinie fliegt, bestätigten die Lotsen mehrmals den Kurs. Sie gehen offenbar fest davon aus, dass der Flugkapitän die Maschine in einer Höhe von 100 Meter hochziehen wird. Obwohl einer der Lotsen warnt, dass der Kapitän unmöglich in Smolensk landen kann, sagt Krasnokutski: "Er hat selbst die Entscheidung getroffen … soll selbst weiter …" Als die Lotsen entsetzt ins Mikro schreien: "Horizont", ist es zu spät. Die Maschine ist noch 1.320 Meter von der Landebahn entfernt, aber mit sieben Metern viel zu tief. 500 Meter weiter zerschellt sie am Boden.

"Elf Sekunden", sagt Major Robert Benedict von der polnischen Untersuchungskommission. Die Lotsen hätten elf Sekunden zu spät reagiert.

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