Flüssiggasförderung bedroht: Offensive von Mosambiks Islamisten
Aufständische erobern im Norden Mosambiks die Stadt Palma. Von dort will der französische Ölkonzern Total Flüssiggas exportieren.

Am Samstag bestätigten die Behörden, das 75.000 Einwohner zählende Palma sei am Vorabend an die Islamisten gefallen. Diese waren am Mittwoch eingerückt. Sie „schossen auf die Leute und die Gebäude“, berichteten Augenzeugen. Am Freitag berichtete ein evakuierter Total-Mitarbeiter: „Fast alles ist zerstört und viele Menschen sind tot.“ Andere sprachen von geköpften Leichen in den Straßen.
Tausende von Menschen retteten sich auf das festungsartig gesicherte Gelände von Total auf der Afungi-Halbinsel zehn Kilometer außerhalb der Stadt. Dort entsteht die Infrastruktur für das 20 Milliarden US-Dollar schwere Investitionsprojekt „Mozambique LNG“, das ab 2024 unter dem Indischen Ozean vor Mosambiks Küste gigantische Flüssiggasmengen fördern soll.
Total hatte Anfang Januar aufgrund der Unsicherheit den Abbruch der Arbeiten erklärt. Doch nach Verhandlungen mit Mosambiks Regierung verkündete der Konzern am 24. März die Wiederaufnahme. Unter anderem war vereinbart worden, das gesamte Gebiet in einem Umkreis von 25 Kilometern, also einschließlich der Stadt Palma, zu einer geschützten Sicherheitszone zu erklären. Am Tag der Total-Erklärung starteten die Islamisten ihren Angriff – direkt nachdem ein Versorgungsschiff in Palma angelegt hatte. Bewohner vermuten, dass sie vor allem die frischen Lebensmittel plündern wollten.
Am Montag früh saßen rund 10.000 Menschen auf dem LNG-Gelände fest, zumeist aus Palma geflohen. Auf Fähren werden sie nun in die Stadt Pemba weiter südlich gebracht.
Zahlreiche Menschen auf der Flucht
Unzählige Menschen fliehen derweil aus Palma ins Landesinnere, ohne jeden Schutz und ohne Versorgung. „Viele fallen übermüdet hin und können nicht weiter, besonders Alte und Kinder“, zitiert AFP einen Flüchtling.
Dramatisch war auch das Schicksal von 180 Gästen des Hotels „Amarula Lodge“ in Palma, wo vor allem ausländische Ingenieure und Sicherheitspersonal untergebracht sind. Mosambiks Armee brachte am Freitag abend 80 Hotelgäste mit einem Lastwagenkonvoi hinaus, der prompt unter Beschuss geriet. Zehn Lastwagen wurden angehalten, ihre Fahrgäste flohen und versteckten sich im Regenwald, wo sie von einer südafrikanischen privaten Sicherheitsfirma geborgen wurden.
Was mit den anderen Lastwagen und ihren Insassen geschah, ist nicht bekannt. 100 weitere Gäste schlichen sich in der Nacht an den Strand von Palma, wo Soldaten sie in Booten weg brachten. Als das Hotel leer war, zündeten die Rebellen es an.
Die islamistische „Shabaab“-Rebellion im Norden Mosambiks tobt seit 2017 und hat bis Ende 2020 nach UN-Angaben 670.000 Menschen in die Flucht geschlagen und über 2600 getötet. 2019 verkündete sie ihren Beitritt zum globalen „Islamischen Staat“. Während die Rebellen unzählige Gräueltaten an der Zivilbevölkerung begangen haben, geht die Armee ebenfalls brutal gegen tatsächliche oder vermeintliche Rebellen vor. Mehrfach gab es Berichte über öffentliche Hinrichtungen gefangener Islamisten.
Seit Monaten ist Palma aufgrund der Kämpfe faktisch von der Außenwelt abgeschnitten und wird auf dem Seeweg versorgt. Total erwägt, die LNG-Zentrale aus Mosambik auf die französische Insel Mayotte zu verlegen, die zum Komoren-Archipel unweit der Küste gehört.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator