Flüchtlingsintegration: Turnhallen bleiben vorerst voll
Sozialsenator fordert, schnell mehr Wohnungen für Flüchtlinge zu bauen. Zwar kommen weniger, aber ihre Anträge werden immer schneller anerkannt.
![provisorische Hallen vor den Hangars des ehemaligen Flughafen Tempelhof provisorische Hallen vor den Hangars des ehemaligen Flughafen Tempelhof](https://taz.de/picture/1103848/14/15618219.jpeg)
Nach Ansicht von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) muss Berlin seine Pläne zur Unterbringung von Flüchtlingen aufgrund der aktuellen Entwicklungen überarbeiten. So sei im März die Zahl der neu ankommenden Flüchtlinge auf knapp unter 1.000 gesunken, sagte er am Freitag. Daher gebe es weniger Druck, neue Gemeinschafts- oder Notunterkünfte zu errichten. Derzeit habe man dort einen Leerstand von vier Prozent. Belegte Turnhallen werde man aber erst „leer ziehen“, wenn der Zuzug über „x Wochen“ gleich niedrig bleibe und man einen Sicherheitspuffer von fünf Prozent habe. Schließlich wisse niemand, ob die Zahlen nicht wieder nach oben gehen. Im November waren noch 8.000 Flüchtlinge in Berlin angekommen.
Auch beschleunigt sich laut Czaja die Arbeit des Bundesamts für Migration (BAMF), das derzeit rund 50 Prozent der Asylanträge anerkenne. Wenn dessen Pläne, ab Mai 5.000 Verfahren pro Monat abzuschließen, Realität würden, seien am Ende des Sommers die Hälfte der Berliner Anträge entschieden. Bei aktuell 43.000 Flüchtlingen in den Unterkünften „brauchen wir in wenigen Wochen also 10.000 Wohnungen“, so der Senator.
Alles geht langsamer
Derzeit plant der Senat, bis Juni Containerdörfer mit rund 15.000 Plätzen zu errichten, vor allem um die Turnhallen leer zu bekommen, in denen rund 10.000 Asylbwerber leben müssen. Zudem sollten in diesem und dem kommenden Jahr 60 Modulare Unterkünfte für Flüchtlinge (MUFs) für rund 34.000 Menschen errichtet werden. Beides geht allerdings langsamer als gedacht und benötigt. Bei den Containern gibt es offenbar Lieferengpässe, bei den MUFs hieß es schon länger, die ersten würden erst im letzten Quartal 2016 fertig werden.
Czaja will nun zum einen mit Brandenburg klären, ob nicht „leer stehende Wohnungen im S-Bahn-Bereich“ für anerkannte Berliner Flüchtlinge zur Verfügung gestellt werden könnten. Ähnliche Forderungen seinerseits waren allerdings schon einmal in Potsdam auf taube Ohren gestoßen. Zum andern erklärte der Senator, die Konzeption der MUFs müsse den neuen Gegebenheiten angepasst werden. „Wir müssen schneller als geplant mehr Wohnungen und weniger Gemeinschaftsunterkünfte bauen.“
Die Baupläne der MUFs ließen das zu, bislang seien dort 75 Prozent der Fläche als Gemeinschaftsunterkünfte geplant und 25 Prozent als „normale“ Wohnungen. Dieser letzte Anteil müsse nun drastisch erhöht werden. All dies bedeute allerdings, dass „der Arbeitsdruck“ auf die Wohnungsbaugesellschaften und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung „zunimmt“.
Drittens kündigte der Senator eine Änderung der Ausführungsverordnung (AV) Wohnen an, um vor allem Familien die Anmietung von Wohnungen zu erleichtern. Die AV Wohnen regelt die „Angemessenheitsgrenzen“, bis zu denen das Jobcenter Miet- und Heizkosten übernimmt. Bereits im Herbst hatte der Senat die Vorschrift dahingehend geändert, dass Wohnungslose auch Mieten erstattet bekommen, die 20 Prozent über dieser Grenze liegen. Zu Wohnungslosen zählen Flüchtlinge in Heimen, aber auch Obdachlose oder Frauen in Frauenhäuern.
Die Änderung, die Sozialsenator Czaja noch im April durch den Senat boxen will, soll es möglich machen, auch Wohnungen anzumieten, die formal als zu klein gelten. Denn es kommt gar nicht selten vor, dass das Jobcenter einer vierköpfigen Familie selbst die Zustimmung zu einer Drei-Zimmer-Wohnung verweigert.
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