Flüchtlingsheim in Berliner Ex-Flughafen: Barbecue statt Unterkunft
Berlin streitet darüber, ob Geflüchtete auf das ehemalige Flughafengelände ziehen dürfen. Jede Bebauung ist auf der „Schutzzone“ verboten.
![Ein Frau hält eine Guitarre, ein Kind sitzt neben ihr Ein Frau hält eine Guitarre, ein Kind sitzt neben ihr](https://taz.de/picture/808141/14/feld-flu_chtlinge_18112015-dpa.jpg)
Die rot-schwarze Landesregierung, damals noch mit Müller als Stadtentwicklungssenator, hatte geplant, auf dem Tempelhofer Feld genannten Areal fast 5.000 Wohnungen zu errichten. Das sollte zwar nur den Rand betreffen, stieß aber dennoch auf starken Widerstand. Denn das Feld hatte sich nach Schließung des Flughafens zu einem zentralen Berliner Freizeitort entwickelt, mit Picknickern auf den Wiesen und Skatern, Läufern oder Radfahrern auf den früheren Start- und Rollbahnen.
Müller rechtfertigte die Pläne damals mit der Wohnungsnot in Berlin – schon vor den jetzigen Flüchtlingszahlen war Berlin in den vergangenen Jahren um jeweils rund 40.000 Einwohner gewachsen. Der Volksentscheid ergab aber eine deutliche Zweidrittelmehrheit für die Bebauungsgegner.
Verboten sind seither gemäß dem „Gesetz zum Erhalt des Tempelhofer Felds“ nicht nur feste Gebäude, sondern auch „jede Form von Camping und provisorische Behausungen“. Ausgeschlossen wäre also auch eine Traglufthalle, die nach Müllers Willen am Westrand des Gebiets Flüchtlinge unterbringen will. Das wäre gleich neben den früheren Flugzeugschuppen, wo bereits mehrere hundert Flüchtlinge leben und wo noch weitere hinzukommen sollen. Die Traglufthalle selbst ist offenbar schon bestellt und soll eigentlich als Blumenhalle für die Internationale Gartenausstellung 2017 in Berlin-Marzahn dienen.
Kritiker des Vorschlags, die sich auch beim Koalitionspartner CDU finden lassen, sehen darin einen Versuch Müllers, die Flüchtlingsnot zu nutzen, um das Feld gegen den erklärten Volkswillen doch noch bebauen zu können. Tatsächlich hatte Müller zuvor mehrfach zu erkennen gegeben, dass er den Ausgang des Volksentscheids für falsch hält und dass er nach der nächsten Abgeordnetenhauswahl im September 2016 noch mal über eine Änderung reden wolle.
Die SPD und Müller weisen den Verdacht aber von sich und argumentieren mit der schwierigen Suche nach Unterkunftsmöglichkeiten. Auch ein erstes Gespräch mit der Initiative, die den erfolgreichen Volksentscheid auf den Weg gebrachte hatte, gab es inzwischen. Doch dort ist man nicht begeistert – umso weniger, als jetzt klar wurde, dass die Landesregierung auch für den östlichen Rand des geschützten Felds an eine Unterkunft denkt. Für ihn sei eine Gesetzesänderung dadurch endgültig gestorben, sagt der frühere Chef der Initiative, Felix Herzog.
Der Fraktionschef der Piratenpartei, Martin Delius, hatte Müller jüngst im Landesparlaments geraten, die Halle einfach ohne Gesetzesänderung aufzustellen. Seine Argumentation: Wer würde denn vor Gericht ziehen, um sich gegen eine Flüchtlingsunterbringung zu wehren? Doch selbst in der Landesregierung gibt es noch keine abgeschlossene Meinung zu dem Thema. „Der Senat arbeitet daran“, hieß es von einem Regierungssprecher. Lange Zeit bleibt dafür nicht: Kommenden Dienstag soll in der Senatssitzung eine Entscheidung fallen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Trump und Putin
Bei Anruf Frieden
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen