Flüchtlinge zahlen Begrüßungsgeld: „Niemand wird durchsucht“

Schutzsuchenden werden in Bayern Geld und Wertgegenstände abgenommen. Norddeutschlands Regierungen lehnen das ab: Für Durchsuchungen fehle „jede Rechtsgrundlage“.

Wird in den Nordländern nicht auf Wertgegenstände durchsucht: Koffer einer geflüchteten Familie. Foto: Patrick Pleul/dpa

HANNOVER taz |Die aufgeregte Debatte, die Dänemarks rechtsliberale Minderheitsregierung Mitte Januar inszenierte, war wohlkalkuliert: Flüchtlingen sollen nicht nur Bargeld, sondern auch persönliche Wertgegenstände wie Eheringe abgenommen werden, verkündete Integrationsministerin Inger Støjberg. Die Washington Post fühlte sich an Nazi-Methoden erinnert: Beschämte BürgerInnen wollten lieber eigenen Schmuck spenden, als hinzunehmen, dass Schutzsuchenden nach ihrer gefährlichen Flucht über das Mittelmeer die letzten Erinnerungsstücke abgenommen werden.

Zwar hat Ministerin Støjberg ihren Vorstoß mittlerweile entschärft – Gegenstände von persönlichem Wert werden nun doch nicht konfisziert. Was in der Empörung aber unterging: Auch in Deutschland darf Flüchtlingen das Wenige, was sie während ihrer Odyssee durch Europa retten konnten, abgenommen werden. „Die Aufregung über die dänische Praxis ist absurd“, sagt Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen – schließlich sieht das seit 2012 geltende Asylbewerberleistungsgesetz (siehe Kasten) vor, Schutzsuchenden sämtliches Vermögen abzunehmen, um sie an den Kosten ihrer Unterbringung zu beteiligen. Ausgenommen ist nur ein Freibetrag von 200 Euro pro Person.

Besonders hart wird das Gesetz in Bayern umgesetzt: „Im Normalfall werden die Asylsuchenden hinsichtlich Dokumenten, Wertsachen und Geld befragt und durchsucht“, sagt eine Sprecherin der für die Unterbringung zuständigen bayerischen Sozialministerin Emilia Müller (CSU) auf taz-Nachfrage. „Wenn sich Verdachtsmomente auf die Mitführung größerer Werte ergeben und Asylsuchende einer Durchsuchung nicht zustimmen, werden Vollzugsbeamte der Polizei eingeschaltet.“

Norddeutschlands rot-grüne Landesregierungen wollen von solch einer Vorverurteilung sämtlicher Flüchtlinge als Leistungsbetrüger dagegen nichts wissen. „Niemand wird durchsucht“, sagt Niedersachsens SPD-Landesinnenminister Boris Pistorius. Für diesen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte gebe es „überhaupt keine Rechtsgrundlage“, sagt der Sozialdemokrat und bekommt Unterstützung vom Flüchtlingsrats-Geschäftsführer Weber: Legitimiert seien Durchsuchungen nur beim Verdacht, dass jemand seine Identität verschleiern wolle.

200 Euro dürfen Flüchtlinge in Deutschland nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) von ihrem Vermögen behalten.

Jeder Cent mehr sei „von dem Leistungsberechtigten und seinen Familienangehörigen vor Eintritt von Leistungen nach diesem Gesetz aufzubrauchen“.

Bundesländer wie Bayern, die gegenüber Schutzsuchenden Härte beweisen wollen, unterstellen, dass diese eventuell mitgeführtes Vermögen schnell verbergen würden – und lassen sie deshalb durchsuchen.

Gültig ist die Regelung erst seit 2012: Bevor das Bundesverfassungsgericht auch Asylsuchenden ein Existenzminimum zugestand, waren sie verpflichtet, den Behörden auch den letzten Cent auszuhändigen – einen Freibetrag gab es nicht.

Ähnlich gehen auch Hamburg, Bremen und Schleswig-Holstein vor: „Bei uns wird niemand routinemäßig gefilzt“, sagt Frank Reschreiter, Sprecher von Hamburgs SPD-Innensenator Andy Grote. Von den über 60.000 Flüchtlingen, die sich in der Hansestadt gemeldet haben und von denen jetzt 21.000 an der Elbe leben, stünden „nur etwa zehn“ im Verdacht, überhaupt über nennenswertes Vermögen zu verfügen, heißt es aus Hamburgs Ausländerbehörde.

„Wir wenden hier keine Methoden der Rasterfahndung an“, sagt auch Bernd Schneider, Sprecher von Bremens grüner Sozialsenatorin Anja Stahmann. Es sei „lebensfremd“ zu glauben, die Schutzsuchenden trügen nach ihrer wochenlangen Flucht noch nennenswerte Geld- oder Sachwerte mit sich, betont Schneider. Ganze zwei der 10.000 MigrantInnen, die in Bremen Zuflucht gefunden haben, hätten mehr als 1.000 Euro besessen.

Ähnlich ist die Situation auch in Schleswig-Holstein: Wie seine MinisterkollegInnen Pistorius, Grote und Stahmann lässt Innenressortchef Stefan Studt (SPD) alle Schutzsuchenden darauf hinweisen, dass sie nur 200 Euro ihres Geldes behalten dürfen – Statistiken, wie viel Mittel so an die Staatskasse geflossen sind, werden mangels Masse aber nicht geführt.

Allerdings: In Bayern ist das nicht anders. Auch dort liegen „hinsichtlich der sichergestellten Geldmengen“ keine konkreten Zahlen vor, schreibt das CSU-geführte Sozialministerium – und räumt kleinlaut ein: Die allermeisten Flüchtlinge führten „keine größeren Geldmengen“ mit.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.