Flüchtlinge in Finnland: Hasstiraden und ein Haus
Die rechtspopulistischen „wahren Finnen“ hetzen gegen Flüchtlinge. Regierungschef Juha Sipilä bietet diesen eine seiner privaten Immobilien an.
Ein Hauptadressat ihres Zorns sass mit am Verhandlungstisch. Timo Soini, Aussenminister und Vize-Premier Finnlands. Der Chef der „Wahren Finnen“, hat monatelang dafür gekämpft, dass Helsinki Aufnahmequoten für Flüchtlinge ablehnt. Er findet es gut, dass Europa in erster Linie asylsuchende Christen aufnehmen sollte und hält sich ansonsten zum Flüchtlingsthema meist zurück, während seine Führungsriege Klartext spricht.
Wie Parteisekretärin Riikka Slunga-Poutsal, für die vier Fünftel aller Asylsuchenden „Wirtschaftsflüchtlinge“ sind: „Lebensstandard-Surfer“, die nur Soziallleistungen abkassieren wollten.
Auf lokaler Ebene belassen es Soinis Parteifreunde nicht nur bei rassistischer Hetze, sondern stehen in vorderster Linie, wenn es darum geht, gegen die Einrichtung nahezu jeder neue Asylunterkunft zu kämpfen. Gerade in kleineren Städten stoßen sie oft auf zustimmende Resonanz.
Mehr Platz für Flüchtlinge
Aber Finnland braucht neuen Platz für Flüchtlinge. Kamen in den vergangenen Jahren rund 3000 Asylsuchende in zwölf Monaten, sind es nun über 1000 pro Woche. Am Freitag revidierte das Innenministerium die Schätzung für dieses Jahr von 15.000 auf 30.000. „Wir schaffen das, wenn wir alle zusammenhelfen“, betonte der konservative Innenminister Petteri Orpo.
Die „Wahren Finnen“ und andere ausländerfeindliche Organisationen bemühen sich nach Kräften, diese Aufnahmebereitschaft zu sabotieren. Aufkleber in der Nähe von Asylunterkünften warnen: „Achtung, du näherst dich einer Flüchtlingsunterkunft. Wir mahnen zur Vorsicht.
Das Echo dieser Hetze findet man in den Zeitungen und in sozialen Medien. Das war so massiv, dass sich der TV-Sender MTV gezwungen sah, vergangene Woche die Kommentarfunktion für Texte zum Asyl- und Flüchtlingsthema zu schliessen.
Finnland biete immer mehr das Bild eines intoleranten und egoistischen Landes, kritisiert die sozialdemokratische Europaparlamentarierin Liisa Jaakonsaari. Und Ex-Aussenminister Erkki Tuomioja sieht den internationalen Ruf Finnlands beschädigt.
Das andere Finnland
Aber es gibt auch das andere Finnland. „Der Wunsch zu helfen ist überwältigend“, sagt Nina Stubb vom Roten Kreuz in Vaasa. Vor allem in städtischen Regionen wurden die Asylzentren so mit Kleiderspenden überhäuft, dass das Personal um eine Pause bitten musste. „Unsere Telefonleitungen sind zeitweise blockiert, weil viele Einwohner wissen wollen, wie sie helfen können“, erzählt Leena Markkanen, Chefin von Helsinkis Flüchtlingsunterkunft Kyläsaari: „Und viele rufen an, wir sollten den Flüchtlingen bitte ausrichten, sie seien herzlich willkommen in Finnland.“
Der Bedarf an winterfesten Quartieren ist groß. „Gott sei Dank, es ist noch Sommer“, tröstet sich Heimo Nurmi, Direktor des Asylaufnahmelagers von Turku: Die vom Roten Kreuz betriebene und auf 225 Plätze ausgelegte Unterkunft platzt mit dreifacher Überbelegung aus allen Nähten. Statt Betten gibt es nur noch Matratzen und seit vergangener Woche ist man gezwungen, Zelte aufzustellen.
Premier Juha Sipilä kündigte an, ein Haus, das seine Familie nicht mehr benötigt, ab Beginn des nächsten Jahres für Flüchtlinge bereit zu stellen.
Finanzminister Alexander Stubb schlug außerdem vor, die steigenden Ausgaben mit Steuererhöhungen für hohe Einkommen und Kapitalerträge auszugleichen. Zuletzt hatte die finnische Regierung die öffentlichen Geldleistungen für Flüchtlinge deutlich gesenkt.
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