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Flüchtlinge in BerlinEssen verteilen für 1,05 Euro

Rund 4.000 Flüchtlinge haben einen gemeinnützigen 1-Euro-Job. Und es sollen mehr werden, wünscht sich der Sozialsenator.

Helfen mit, für wenig Geld: Zwei Flüchtlinge geben in einer Berliner Unterkunft Essen aus Foto: dpa

Ali Alloulou aus Syrien möchte helfen. „Die deutsche Regierung versteht nicht alles, was Flüchtlinge betrifft“, sagt der 35-Jährige, der in einer Notunterkunft für Flüchtlinge in Treptow lebt. Und die Unterkunft nimmt seine Hilfsbereitschaft gern an. Zwei bis drei Stunden täglich hilft Alloulou bei der Essensausgabe für die rund 550 Bewohnerinnen und Bewohner. Für seine Tätigkeit bekommt er eine Aufwandsentschädigung von 1,05 Euro pro Stunde.

60 Flüchtlinge in der Notunterkunft haben gemeinnützige 1-Euro-Jobs. Sie helfen in der Küche und bei der Essensausgabe, putzen oder entsorgen Müll. „Diese Arbeit hat bei den Flüchtlingen das Verantwortungsbewusstsein für das Gebäude gestärkt“, sagte Petra Densborn, Leiterin des Christlichen Jugenddorfwerks Berlin, das die Notunterkunft betreibt. Insgesamt sei die Unterkunft aufgeräumter und sauberer als am Anfang. Die Tätigkeiten brächten den Menschen Anerkennung. „Die gemeinnützige Tätigkeit wirkt deeskalierend für das Zusammenleben in der Unterkunft.“

Wie bei den 1-Euro-Jobs für Hartz-IV-Empfänger dürfen auch die gemeinnützigen Tätigkeiten von Flüchtlingen keine tatsächlichen Arbeitsstellen ersetzen. Die Reinigung der Notunterkunft werde daher selbstverständlich von einer Firma ausgeführt, erklärte Densborn. „In der Unterkunft bei uns leben aber mehr als 200 Kinder, da ist es schon so, dass es am Nachmittag in den Fluren und gemeinschaftlich genutzten Räumen Tee verschüttet worden ist oder es etwas aufzuräumen gibt“, sagte sie. Hier würden die „Helfer“ dazu beitragen, dass alle sich wohler fühlten.

Sie möchte den Flüchtlingen außerdem die Möglichkeit bieten, in einer anderen Unterkunft zu arbeiten. „Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht“, sagt Densborn. „Nicht immer ist es leicht, wenn Flüchtlinge in der gleichen Unterkunft arbeiten, in der sie auch leben.“

Mit den Arbeitsgelegenheiten hätten die Flüchtlinge die Möglichkeit, ihre Lebenssituation mitzugestalten und ihre finanzielle Situation zu verbessern, erklärte Sozialsenator Mario Czaja (CDU). Er stellte am Dienstag die Bilanz vor, wie viele Flüchtlinge solche 1-Euro-Jobs übernommen haben: insgesamt rund 4.000 (siehe Kasten). Die Senatsverwaltung möchte diese Arbeiten auf andere Träger ausweiten und 1.000 weitere Stellen schaffen, so Czaja.

Und: „Die Tätigkeiten sollen mit einem Jobcoaching verbunden werden“, kündigte der Senator an. Dabei könnten die Fähigkeiten und Kenntnisse der Flüchtlinge erfasst und sie so auf eine zukünftige Tätigkeit vorbereitet werden.

Die Jobs

Nach Auskunft der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales können Flüchtlinge in 75 Unterkünften in Berlin gemeinnützige Arbeit ausführen. Damit bietet die Hälfte der Berliner Unterkünfte Tätigkeiten für Flüchtlinge innerhalb der Einrichtungen an.

Fast 4.000 Flüchtlinge nehmen laut Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales diese Arbeitsgelegenheiten wahr, rund 400 von ihnen arbeiten außerhalb der Unterkünfte bei gemeinnützigen Vereinen. Die Senatsverwaltung möchte 1.000 weitere 1-Euro-Jobs für Flüchtlinge schaffen. Mindestens 20 und höchstens 80 Stunden dürfen Flüchtlinge gemeinnütziger Tätigkeit im Monat nachgehen. Sie können damit also 84 Euro im Monat verdienen. (usch)

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Berlin-Brandenburg hält 1-Euro-Jobs für Flüchtlinge für einen begrenzten Zeitraum und als Brücke zu einer entlohnten Beschäftigung für sinnvoll. „Sie müssen begleitet werden von Qualifikationsangeboten und Vermittlungsbemühungen“, sagte DGB-Sprecherin Nina Lepsius. „Auch wenn es subjektiv für jene, die die Tätigkeit ausüben, sinnvoll scheint, sollte eine sinnvolle Arbeit entsprechend entlohnt werden“, forderte sie.

Das wäre in etwa das, was auch Ali Alloulou der Bundesregierung raten würde. „Die Essensausgabe hilft uns, die Zeit totzuschlagen“, erklärt er. „Aber nur Warten ist nichts für mich. Ich möchte mich selbst versorgen. Sie sollten uns Flüchtlinge richtig arbeiten lassen.“ Bisher ist ihnen das erst nach drei Monaten erlaubt – und wenn kein anderer die Stelle übernehmen könnte.

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3 Kommentare

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  • Halbwegs guter Schritt. Das diese 1 Euro Jobs nun mit Jobcoaching betrieben werden ist ein weiterer Schritt. Allerdings sind 1 Euro Jobs immer kritisch. letztlich vertreiben sie immer Arbeit. Auch das zwischendurch Putzen ersetzt Putzkräfte, weil es eben nicht ganz so schmutzig ist.

     

    Besser wäre die 1 Euro Jobs ab zu schaffen und stattdessen die Aufgaben Ehrenamtlich zu gestalten mit einer voll bezahlten (Auch gern von Flüchtlingen) Stelle zu koordinieren/an zu leiten. Wie einer Putzkraft die 6 Flüchtlinge anleitet/anlernt.

    • @Sascha:

      Naja, wenn diese Form des 1-€-Jobs zugunsten Ihres Vorschlages abgeschafft würde, dann könnten sich die Flüchtlinge garnichts zuverdienen - oder habe ich Sie da missverstanden?

      Das Problem scheint vielmehr zu sein, dass die Flüchtling nicht "richtig" arbeiten dürfen, womit sie ja auch unter die Mindestlohnbestimmungen fielen... und: die Erwähnung des Ehrenamtes ist zwar löblich, allerdings, was macht man, wenn es schlichtweg nicht genügend Ehrenämtler gibt?

  • Ich muss zugeben, dass mir zunächst das "Messer im Sack" aufgring, als ich las, dass Flüchtlinge für 1,05€/h arbeiten sollten. Ich sah alle entsprechenden Warungen zur Unterminierung des Mindestlohnes wahr geworden. Wenn der Artikel aber tatsächlich die Realität abbilden sollte und es dabei schlicht um eine Art Beschäftigungstherapie mit Behördlicher Supervision geht, dann scheint mir dies in Ordnung zu sein. Allerdings hoffe ich, dass die Begleitung von "Qualifikationsangeboten und Vermittlungsbemühungen" auch durchdacht vonstatten geht und nicht nur bedeutet, dass diejenigen, deren Asylantrag gewährt wird und hierbleiben können, dass diejenigen dann nicht einfach zum Schröpfen an die Zeitarbeitsfirmen weitergeleitet werden - so ganz nach dem Motto: "Aus dem Auge, aus dem Sinn; und Sozialversicherungssteuern zahlen sie auch!"