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Flüchtlinge in BerlinCzaja drückt auf die Tube

Der CDU-Sozialsenator will Asylanträge aus dem Balkan binnen einem Tag entscheiden. Ob das rechtlich und praktisch überhaupt möglich ist, bleibt fraglich.

Sozialsenator Czaja vor dem Lageso in Moabit. Foto: dpa

In seinem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) warten Flüchtlinge derzeit Wochen, um sich als Asylsuchende überhaupt registrieren zu können. Dennoch spuckt Sozialsenator Mario Czaja (CDU) große Töne: Anträge aus Balkanstaaten könnten in der neuen Lageso-Außenstelle an der Bundesallee bald binnen einem Tag entschieden sein, erklärte er am Dienstag in der Morgenpost.

Opposition und Fachleute sind entsetzt. „Das ist rechtsstaatlich gar nicht möglich“, sagt Canan Bayram, flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, der taz. Ähnlich urteilt Martina Mauer vom Flüchtlingsrat: „Damit nimmt Czaja vorweg, dass es für Menschen aus Balkanländern kein individuelles Asylrecht mehr gibt.“ Auch Fabio Reinhardt, Piraten-Abgeordneter, findet: „Es ist unmöglich, innerhalb eines Tages individuelle Fluchtgrunde anzuhören und abzuwägen sowie Menschen die Chance zu geben, sich einen Rechtsbeistand hinzuzuziehen.“

Um dem Chaos im Lageso Herr zu werden, plant der Sozialsenator, in der Bundesallee alle Behörden – von Lageso, über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bis zur Ausländerbehörde und Polizei – zusammenarbeiten zu lassen. Dem Springer-Blatt sagte Czaja, mit der Gesetzesänderung auf Bundesebene zur Ausweitung der „sicheren Herkunftsländer“ auf Kosovo, Albanien und Montenegro „sollen die rechtlichen Rahmenbedingungen für diesen Personenkreis erweitert werden“. Er rechne damit, dass das geänderte Gesetz am 1. November in Kraft tritt – dann „werden wir in der Lage sein, Verfahren innerhalb eines Tages abzuschließen“.

Für die Juristin Bayram zeugt die Idee von völliger Unkenntnis der rechtlichen Lage. Der Asylantrag sei ein formalisiertes Verfahren: Die Menschen müssten ein Protokoll ihrer Anhörung bekommen, „das sind schriftliche Bescheide, die zugestellt werden müssen“ – dann könnten sie Rechtsmittel einlegen gegen eine negative Asylentscheidung. Bayram bewertet Czajas Vorstoß als Manöver, um von der eigenen „Unfähigkeit, seinen Laden in den Griff zu bekommen“, abzulenken.

Auch Mauer vom Flüchtlingsrat weist darauf hin, dass Flüchtlinge momentan Wochen bis Monate darauf warten müssen, um ihren Asylantrag beim BAMF überhaupt stellen zu können. „Die Menschen haben derzeit überhaupt keinen Zugang zum Asylverfahren, da müsste Czaja ran“, so Mauer.

Stattdessen reiht er sich ein in den Chor jener, die sich mit Vorschlägen zur Verschärfung des Asylrechts für bestimmte Gruppen derzeit überbieten. CDU-Innensenator Frank Henkel redet seit Wochen von einer eigenen Aufnahmeeinrichtung für Balkanflüchtlinge, CDU-Justizsenator Thomas Heilmann hat Vorschläge in der Schublade, wie schneller abgeschoben werden kann, etwa durch Wegfall aller Leistungen nach Ablehnung des Asylantrags (taz berichtete). „Es ist bedauerlich, dass der Senat auf den Zug aufspringt, in gute und schlechte Flüchtlinge zu unterscheiden, und dies in diskriminierenden Eingriffen ins Asylrecht münden lässt“, sagt dazu Piratenpolitiker Reinhardt.

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4 Kommentare

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  • Unabhängig von der rechtlich unmöglichen 1-Tages-Entscheidung des Berliner Sozialsenators, habe ich meine Zweifel, ob dieses so überhaupt praktikabel ist. Aber selbst wenn, wird die Anzahl der Klagen vor den Verwaltungsgerichten dramatisch ansteigen. Und dann erledigt sich der eigentliche Zweck, die schnelle Abschiebung, ohnehin.

     

    Allerdings sei der Redakteurin der TAZ auch etwas Nachhilfe angedien, die Berliner Morgenpost, liebe Kollegin, ist kein Springer-Blatt, sondern kommt seit geraumer Zeit aus dem Funke-Verlag. Das sollte man dann schon wissen! Außerdem ist es einen völlig unwichtige Anmerkung, denn auch Interviews die bei Springer gegeben werden, haben eine Berechtigung. Solch Abwertung ist überflüssig!

    • Susanne Memarnia , Autorin des Artikels, Redakteurin taz.Berlin
      @Lutz Bucklitsch:

      tja *knirsch* da haben Sie leider recht. ist mir so durchgerutscht das mit springer, aus alter gewohnheit sozusagen. obwohl es nach meiner ansicht durchaus eine rolle spielt, wo ein politiker was platziert. ich würde schon vermuten, dass i.d.r. jenes medium gewählt wird, bei dessen leserschaft ein politiker die größte zustimmung für sein vorhaben vermutet...

      • @Susanne Memarnia:

        Liebe Kollegin,

         

        das mit den Interviews ist nun wirklich barer Unsinn. Sorry, aber diese Einschätzung ist nun wirklich völlig abwegig. Es werden meistens in den Medien Interviews gegeben, wo man relativ leicht eine große Anzahl an Leser findet. Und ob einem Interviewgeber nun diese Medium nun nahe steht oder nicht, ist unerheblich.

         

        Wir haben selten "Gesinnungsinterviews". In dieser Zeit leben wir nun wirklich nicht mehr, egal welcher Partei, zumindest was die demokratischen angeht, man angehört. Und wenn sie für einen fairen, freien Journalismus einstehen, dann sollten Sie in einem normalen Artikel bitte solche "Seitenhiebe" unterlassen.

         

        Ich könnte ihnen, der TAZ, viel vorhalten, wäre aber dann auch nichts anderes, als IHRE Voreingenommenheit gegenüber Springer. Ein guter Journalist steht über diesen Dingen.

  • ich find's immer wieder lustig, was sich die kaufmannsgilde der CDU so alles ausdenkt.