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Flüchtlinge im Münchner OlympiastadionFeldbett im VIP-Bereich

Die regulären Unterkünfte in München sind überlastet. Deshalb werden Flüchtlinge von der Stadt nun im Olympiastadion untergebracht.

Betten für Flüchtlinge – das Olympiastadion in München im Oktober 2014. Bild: dpa

MÜNCHEN taz | Ein mal zwei Meter Stockbett – mehr Privatsphäre gibt es nicht. Wenn die Flüchtlinge in der Münchner Bayernkaserne ihren Arm ausstrecken, ist der im Gesicht ihres Nachbarn, so eng stehen die Betten. Es ist nur ein Blick durch das Zaungitter.

Kaum haben die Sicherheitskräfte den Journalistenblock entdeckt, wedeln sie den unbeliebten Besucher nach draußen. Auf die Flüchtlinge wirkt er wie ein Magnet. Aus Mahmud, klein mit gewellten schwarzen Haaren, sprudelt es auf Arabisch. Sein Freund übersetzt: „Kranke schlafen neben Gesunden.“ Mahmud zeigt einen Ausschlag am Arm. Sie leben „wie die Tiere“. Sein Freund wohnt in Haus 28 zusammen mit 50 anderen Flüchtlingen. Eine Toilette gibt es dort nicht.

Mit 17 Jahren flüchtete Mahmud aus Syrien, drei Jahre war er unterwegs. Als bei der Überfahrt im Boot das Wasser ausging, trank er das salzige Meerwasser. Vor 12 Tagen erfüllte sich sein Traum, er war in Deutschland. Auf dem bunt bemalten Tor der Bayernkaserne leuchtete ihm eine rote Sonne entgegen, auf der Mauer steht: „Free World“.

Ein Bett hatte diese Welt Mahmud nicht zu bieten. Zusammen mit etlichen anderen schlief er in Oktobernächten vor der Kaserne im Freien, manche waren ohne Decken. Mahmud war auch in Italien, das bis jetzt als Katastrophenland für Flüchtlinge galt, für Mahmud ist es Deutschland.

Warnungen vor Überfüllung

Vor zwei Wochen protestierten die Flüchtlinge vor der Bayernkaserne. Sie steht für das Versagen der deutschen Flüchtlingspolitik. Eigentlich ist sie für 1.200 Flüchtlinge ausgelegt, bis vor Kurzem waren es doppelt so viele. Sie schliefen in alten Werkstätten und Garagen. Sie warteten bis zu zwei Stunden auf ihr Essen.

Obwohl Sozialarbeiter schon letztes Jahr vor Überfüllung warnten, stockte die Regierung ihr Personal nicht ausreichend auf. Höchstens 100 Flüchtlinge können pro Tag zur Gesundheitsprüfung, seit Anfang Juli kamen 300 täglich. Etliche erzählen, sie hätten auch nach einem Monat keinen Arzt gesehen.

Das größte Problem sei aber die Registrierung, sagt ein Sprecher der Regierung von Oberbayern. Sie ist das Nadelöhr, vor dem sich die Flüchtlingsmassen stauten und den Betrieb zusammenbrechen ließen. Erst wenn die Neuankömmlinge ihre Formulare haben, können sie in andere Einrichtungen weitergeleitet werden. Nur zehn Schalter gibt es in der Bayernkaserne, die sich strikt an die deutschen Bürozeiten hielten. Bis vor Kurzem waren sie am Wochenende geschlossen. Unzählige übernachteten wie Mahmud im Freien.

Flyer von Rechtsradikalen

Diese „menschenunwürdigen Zustände“ wollte Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) nicht mehr akzeptieren. Er pfiff auf Zuständigkeiten und nahm der bayerischen Staatsregierung das Heft aus der Hand, weil diese „absolut versagt“ habe. In die Bayernkaserne sollen nun keine neuen Flüchtlinge mehr aufgenommen werden. Reiter stellte der Regierung zusätzliche Mitarbeiter der Stadt zur Verfügung. Auch, um die große Hilfsbereitschaft der Münchner nicht zu gefährden. In der Nachbarschaft wurden schon Flyer mit rechtsradikalen Parolen verteilt.

Wie eine schnellere Hilfe aussehen kann, ist nun im Münchner Olympiapark zu beobachten. In nur wenigen Tagen hat die Stadt das ehemalige Fußballstadion mit dem berühmten Spinnennetz-Dach für Flüchtlinge hergerichtet. Vor dem Stadioneingang sitzen drei Flüchtlingskinder, über ihnen ein türkisfarbenes Schild: „Herzlich Willkommen. VIP-Eingang“.

Wo früher Beckenbauer und Co ihre Häppchen eingenommen haben, ist jetzt die Essenausgabe. Acht Flüchtlinge sitzen hier und blicken auf einen der drei Flachbildschirme. Im Treppenhaus ein Zettel, auf den ein Duschkopf gemalt ist. Der Pfeil daneben führt zu den alten Mannschaftsduschen des FC Bayern. Nur ein paar Schritte von hier und die Flüchtlinge stehen mitten im Stadion. Hier spielen die Flüchtlinge Fußball.

Rund 100 Flüchtlinge sind bis jetzt aus der Bayernkaserne verlegt worden, Platz ist für 180. In zwei großen Räumen sind Feldbetten aufgebaut. Sie stehen genauso wie in der Bayernkaserne eng an eng. Privatsphäre gibt es auch hier nicht. Aber Männer und Frauen können getrennt schlafen. Mitarbeiter sind gerade dabei, milchige Folie an die Glasfront im Frauenraum zu kleben. Auch sie sind von der Stadt München, bezahlt werden sie aber vom Freistaat. Schließlich ist der für Flüchtlingspolitik zuständig – zumindest theoretisch.

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20 Kommentare

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  • @ Florianfelix

     

    Deutschland könnte "ein tolles Integrationsland" sein, sagt Frau Angela Merkel, GroKo-BDI/BDA-CDU-SPD-CSU-Bundeskanzlerin.

  • "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen."

     

    Demnach stehen die Wohngebäude und Eigentumswohnungen -- einschließlich deren Dienstkräfte (GärtnerInnen, Reinigungskräfte und HausbewirtschafterInnen etc.) -- der Familien Albrecht, Augstein, Bahlsen, Bentheim, Birkel, Bismarck, Boehinger, Siemens, Quandt, Bosch, Springer, Mohn, Guttenberg's und Co. zur Verfügung!

     

    Dieses 'Wohl der Allgemeinheit' meinen aber die meisten unserer geldfürsten dadurch hinreichend zu wahren, dass sie an dem 'Bewährten', nämlich an ihrer Macht und ihren Vorrechten, nicht rütteln lassen.

    • 2G
      2097 (Profil gelöscht)
      @Reinhold Schramm:

      Richtig, aber durch eine geänderte Erbschaftssteuer ließe sich dies aufbrechen.

      Bayerische Verfassung

      Artikel 123 Angemessene Besteuerung

      (3) Die Erbschaftssteuer dient auch dem Zwecke, die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen einzelner zu verhindern. Sie ist nach dem Verwandtschaftsverhältnis zu staffeln.

    • 1G
      12294 (Profil gelöscht)
      @Reinhold Schramm:

      Bevor Herr Schramm mit seinem Vorschlag die Diskussionsrichtung weiterhin bestimmt, möchte ich Selbige etwas öffnen - denn die bessere Unterbringung von Asylbewerbern, wie immer sie nun auch vollbracht wird, kann ja nur eine von vielen Massnahmen sein. Dazu sollten wir uns fragen: 1. Wie man Gründe für politische Verfolgung verhindern kann. 2. Wie Asylverfahren beschleunigt werden können, damit es zu so einem Rückstau gar nicht erst kommt. 3. Wie geographisch und kulturell näher liegende Länder in die Aufnahme mit einbezogen werden können. 4. Wie verhindert werden kann, dass das Recht auf Asyl von Wirtschaftsflüchtlingen missbraucht wird. Wer, wie Herr Schramm, das Problem nur von hinten angeht, greift meines Erachtens zu kurz.

    • @Reinhold Schramm:

      Ihre Reflexe funktionieren ganz offensichtlich bereits ohne Stimulans.

  • Bei den Wohlhabenden und Vermögenden in München und Umgebung gibt es ausreichend Wohnraum. Es gibt keinen Grund für einen vier Personenhaushalt Wohnflächen von mehr als 150 m² und 200 m² zu beanspruchen! Zudem die zahlreichen Eigentumswohnungen, die von ihren EigentümerInnen nur ungenügend gebraucht werden! Dann bedarf es keiner Betten im Stadion.

     

    Ebenso verhält es sich auch in der Regierungshauptstadt Berlin, Potsdam und Umgebung. Auch in Berlin-Zehlendorf, -Wannsee und Berlin-Dahlem, weiterhin in -Schöneberg, -Westend und Wilmersdorf-Charlottenburg! Hier kann mann/frau eine auskömmliche Versorgung der Menschen gewährleisten!

    • 1G
      12294 (Profil gelöscht)
      @Reinhold Schramm:

      Wer entscheidet denn, wer wohlhabend ist, ab welcher Quadratmeterzahl man Flüchtlinge aufzunehmen hat, und welcher Wohnraum "ungenügend" gebraucht wird? Sie? Und dann enteignen wir die Leute einfach?

       

      Es würde mich wirklich interessieren, wie Sie sich das vorstellen. Und vor allem, wie Sie die Folgen davon einschätzen.

      • @12294 (Profil gelöscht):

        einfach mal nach 1945 zurückschaun-da gabs Einquatierungen, wenn ich so in meiner Strasse schau, ein Haus c 400m2 wird nur max 2 Monate im Jahr genutzt, ein anderes ebenso 300m2 wird von einem Ehepaar bewohnt, allein in unserer Strasse könnte man locker 20 Leute unterbringen, es ist wie damals bei den Lichterketten, hätte nur jeder/ Zehnte einen Asylanten aufgenommen, wäre das Problem vom Tisch gewesen, aber immer schön, man ist dagegen oder für was, dann macht man die Haustür hinter sich zu und setzt sich an den gutgedeckten Tisch!

      • @12294 (Profil gelöscht):

        das nennt sich öffentlich-rechtlicher beseitigungsanspruch und der kommt ohne enteignung aus.

        klappte übrigens nach WK2 ganz hervorragend.

        • @christine rölke-sommer:

          naja, ich darf Ihnen versichern, dass das mit dem-klappte ja ganz gut-nihct so war. am eigenen Leib erfahren, nachts gegen 22Uhr, meine Mutter mit uns beiden Kindern vor dem Haus des Bürgermeisters : Fenster auf: WAS WOLLT IHR DENN HIER !!?? Rums Fenster zu, eingewissen in einem Einödhof unterm Dach, da konnte man die Sterne durchsehen, war mehr ein Verschlag, wehe wir Kinder hoben einen Apfel auf, da gabs eine Donnerwetter von der Bäuerin, dieses Kapitel der Nachkriegszeit muss noch geschrieben werden!

        • 1G
          12294 (Profil gelöscht)
          @christine rölke-sommer:

          Haetten Sie dafuer, aehnlich wie Herr Neuburg, auch einen Gesetzeswortlaut parat? Nur damit man sich ein Bild machen kann.

          • @12294 (Profil gelöscht):

            nein. dazu müssen Sie sich schon in eine juristische bibliothek bemühen.

            dort werden Sie unter einquartierung von flüchtlingen und vertriebenen in der brd-nachkriegszeit fündig.

            der punkt ist: die, bei denen einquartiert wurde, wurden nicht enteignet.

            dieses lieblingsargument all derer, die asylsuchende+flüchtlinge+wanderarbeiterinnen am liebsten in verfallenden kasernen mitten im wald untergebracht sähen, zieht also nicht.

            • 1G
              12294 (Profil gelöscht)
              @christine rölke-sommer:

              Schoen, Frau Roelke-Sommer, dann werfen sie eben weiter Argumentationsbrocken in die Runde, ohne sie untermauern zu wollen. Die Frage, die ich noch hätte, ist aber, ob Sie wirklich wieder jene Zustände wollen, die nach dem Krieg herrschten - mit Einquartierungen, Essensmarken etc. Dann wären wir ja wieder von vor 70 Jahren, als wäre nie etwas geschehen.

            • @christine rölke-sommer:

              Natürlich wurde es nicht enteignet. Das würde bedeuten, das es dem Eigentümern nicht mehr gehören würde.

               

              Ein öffentlich-rechtlicher Beseitigungsanspruch ist nur eine Beschlagnahme. Dir gehört dein Haus zwar weiterhin, du darfst es aber nicht Nutzen für einen bestimmten oder unbestimmten Zeitraum. Eventuelle Schäden trägt dabei dann der Hauseigentümer.

               

              Aber mal ehrlich, es ist ein schwacher Trost für jemanden, der ein Haus besitzt, wenn man ihm bei der Inanspruchnahme sagt, das er es ja möglicherweise mal wiederbekommt. Weg ist erst mal weg.

            • 2G
              2097 (Profil gelöscht)
              @christine rölke-sommer:

              Ich schätze die Herren Eigentümer verfügen heute über ausreichend Geldmittel, um mit findigen Anwälten die Kommunen in die Steinzeit zu klagen. Ansonsten würden die Kommunen längst so handeln. Aber wenn dann erst einmal etliche Klagen auf die Kommunen zukommen, sieht das mit dem "öffentlich-rechtlichen Beseitigungsanspruch" nicht mehr so praktikabel aus. Und wer will verantworten, dass die Herren mit dem Kapital und Eigentum alle dann zukünftig die AfD wählen. Weder SPD, Grüne noch LINKE. Ansonsten schöner Vorschlag, wäre sofort dafür.

              • @2097 (Profil gelöscht):

                Die meisten Hauseigentümer dürften junge Familien sein, bei denen ist das Geld eher knapp.

                 

                Zweistellige Wahlergebnisse für die NPD wären aber durchaus die Folge.

        • @christine rölke-sommer:

          Na na, haben Sie Ihren Erichsen-Martens verlegt?

          • @Trango:

            packen'S ein folgen davor, vielleicht wirds dann verständlicher, wie einquartierung ohne enteignung geht.

            • @christine rölke-sommer:

              Ach je, Sie haben ihn gar nicht verlegt, sondern gar nicht gelesen...

      • 2G
        2097 (Profil gelöscht)
        @12294 (Profil gelöscht):

        Ihre Einwände sind berechtigt, so einfach ist das mit dem enteignen nun auch wieder nicht. Das GG hilft auch hier weiter:

         

        Artikel 14

         

        (1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

         

        (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

         

        (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.