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Flüchtlinge am Oranienplatz in BerlinDie Hüttenbauer aus Lampedusa

Die Flüchtlinge in Kreuzberg bauen sich Holzverschläge. Die CDU tobt. Sie wollte das Camp längst räumen. Doch die Lösung liegt bei Innensenator Henkel.

Nach anderthalb Jahren in Zelten bauen die Flüchtlinge nun Holzhütten. Bild: dpa

BERLIN taz | Es sind kleine Holzhütten, die derzeit die Berliner Landespolitik polarisieren. Gebaut wurden sie aus allem, was man so auf dem Sperrmüll findet: Getränkepaletten, Möbelteile, ausgediente Türen. Die Hütten stehen auf dem Oranienplatz im Berliner Multikultistadtteil Kreuzberg.

Errichtet wurden die eigenwilligen Bauwerke von afrikanischen Flüchtlingen, die seit eineinhalb Jahren auf dem Oranienplatz ausharren. Weil sie gegen die deutsche Flüchtlingspolitik protestieren. Oder weil sie, Kriegsflüchtlinge aus Libyen, auf ihrer Flucht über das italienische Lampedusa in Berlin gestrandet sind. Bis Februar lebten die Bewohner vom Oranienplatz in Zelten. Jetzt bauen sie Holzhütten.

An diesen Hütten entzündet sich der Streit über das Flüchtlingscamp erneut. Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) wollte es schon im Januar räumen. Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) lehnte ab – seitdem verhandelt Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) mit den Flüchtlingen. Die Zeit drängt: Ende März läuft die Kältehilfe für rund 100 frühere Campbewohner aus. Diese wohnen seit November auf Vermittlung des Senats in einem Heim der Caritas.

Auf dem Oranienplatz klopft Mega, ein Mann aus dem Niger, Nägel an seiner Hütte fest. Seit Beginn wohnt er im Camp, erzählt er, bisher mit anderen Männern in einem Zelt. Der Holzhütte kann er mehr abgewinnen: „Darin ist es wärmer, und ich habe mein eigenes Reich.“

Fast 40 Hütten stehen bereits auf dem Platz – und es werden täglich mehr. Die Bewohner fürchten, dass die wenigen verschlissenen Zelte bald nicht mehr reichen. 72 Flüchtlinge lebten derzeit im Camp, sagt der Nigerianer Ahmet. Zum Monatsende rechnet er mit knapp 200: Dann seien ja die Bewohner aus dem Caritas-Heim wieder da.

CDU versus Grüne

Die CDU tobt wegen des Hüttenbaus. Innensenator Henkel sieht den grün geführten Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg in der Pflicht, gegen die „rechtswidrige Nutzung“ des Platzes einzuschreiten. Denn eigentlich ist der Oranienplatz eine Grünfläche. Der Kreuzberger CDU-Abgeordnete Kurt Wansner will die Hütten sofort weghaben. Er spricht von Brandgefahr und der Verfestigung illegaler Strukturen.

Im Bezirksamt weist man die Zuständigkeit von sich. Bürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne), die die Zelte bisher tolerierte, verweist auf die Verhandlungen von Integrationssenatorin Kolat: Diese sei zuständig. Auch Baustadtrat Hans Panhoff, ebenfalls ein Grüner, sieht sich nicht verantwortlich. Zwar gehörten Hütten nicht auf eine öffentliche Grünfläche, sagt er. Aber weil die Bauwerke kleiner seien als zehn Quadratmeter, eingeschossig und nicht fest mit dem Erdreich verbunden, brauche es keine Baugenehmigung. Und ohne Baugenehmigungsverfahren sei sein Amt auch nicht für die Prüfung des Brandschutzes zuständig.

Dabei bestreitet niemand, dass von dicht an dicht gebauten Holzhütten ohne Fluchtwege und Feuerwehrzufahrt eine Brandgefahr ausgeht. Zumal die Platzbewohner mit alten Propangaskochern kochen und die Elektrik auch eher vom Sperrmüll stammt. Aber ist es eine Lösung, die Bewohner zu vertreiben? Wohin sollen sie?

Eben darüber verhandelt Senatorin Kolat seit Wochen hinter verschlossenen Türen. Bisher drangen keine Ergebnisse nach außen. Auch auf dem Oranienplatz wird geschwiegen. „Es ist auf einem guten Weg“, sagt einer der Verhandlungsführer nur.

Am Sonntag tragen sich die Bewohner in Namenslisten ein. Eine Voraussetzung für die Gespräche mit dem Senat, sagen sie. Dort hängt vieles offenbar an CDU-Senator Henkel: Der könnte den Flüchtlingen eine aufenthaltsrechtliche Lösung ermöglichen. Hans Thomä von der evangelischen Kirche bestätigt, dass die Gespräche in diese Richtung gehen. Genaueres sagt auch er nicht. „Das sind noch zarte Bande.“ Parallel zum Senat beraten auch die Kirchen über eine Lösung der Flüchtlingsprobleme.

Die drängt: Im Februar brannte bereits der Toilettenwagen des Camps ab. Seitdem müssen die Bewohner in umliegenden Cafés zur Toilette und zum Waschen. Und im März wurde einem Algerier laut Bewohnern nachts das Zelt über dem Kopf angezündet. Er erlitt Verletzungen im Gesicht. Die Polizei ermittelt wegen Brandstiftung. Indizien führen in die rechte Szene. Nun steht der Platz unter Polizeischutz.

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8 Kommentare

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  • D
    @Dhimitry

    "Wenn Institutionen nicht funktionieren, so wie das europäische Einwanderungssystem, dann sind Gesetzesbrecher*innen lediglich die Überbringer*innen der schlechten Nachrichten."

     

    Asyl dient nicht der Einwanderung. Falls keine Asylgründe in D vorliegen, stünde es den Betroffenen frei, eine Blue Card zu beantragen. ist freilich an Voraussetzungen gebunden. Mag Linksaußen freilich gar nicht.

  • Z
    Zenzis

    Das Camp ist illegal und muss weg. Der Oranienplatz ist eine Grünanlage und kein Campingplatz.

  • Die Hütten stellen ein reale Brandgefahr dar. Jemand muss die Hüttenbauer vor sich selbst schützen. Von den Unterstützern kann das nicht erwartet werden, das Bezirksamt muss eingreifen. Herr Panhoff darf sich nicht mit formellen Gründen herausreden, es geht um das Verhindern einer Katastrophe. Es geht nicht um das Vertreiben: Zelte sind vielleicht nicht so gemütlich, aber deutlich sicherer.

  • Ein neuer Toilettenwagen steht inzwischen an alter Stelle. Sieht recht rustikal aus.

     

    Trotzdem wird es Zeit, diesen Slum mitten in der Innenstadt endlich abzureißen.

    • 8G
      889 (Profil gelöscht)
      @Oma Kruse:

      Selbst wenn das ein Slum wäre, wäre die Innenstadt genau der richtige Platz dafür.

    • @Oma Kruse:

      Abriss aber nur dann, wenn die dort lebenden Menschen eine adäquate Ersatz-Unterkunft bekommen.

       

      Ansonsten halte ich dieses Protestcamp eine gute Möglichkeit, Politikern und Passanten die Flüchtlingsproblematik greifbar bzw. real erlebbar zu machen. Für viele ist das ja nur ein eher abstraktes Thema im fernen Mittelmeer, was man im Alltag leicht ignorieren kann.

      • S
        Stephan
        @vøid:

        für eine adäquate Unterkunft besteht keinerlei Verpflichtung von Seiten des Sants und Bezirks.

         

        Beim sogenanten Protestccamp handelt es sich um eine illegale Besetzung des Oranienplatzes - Gesetzesbrecher sind zu bestrafen und nicht noch zu belohnen.

        • @Stephan:

          Wenn Institutionen nicht funktionieren, so wie das europäische Einwanderungssystem, dann sind Gesetzesbrecher*innen lediglich die Überbringer*innen der schlechten Nachrichten. Die sind nicht zu bestrafen, sondern es muss nach Lösungen gesucht werden. Alles andere ist blinder Legalismus!