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Flucht über das MittelmeerDas Geschäft der Schmuggler

Arbeitslosigkeit und Bürgerkriege treiben die Menschen fort. NGOs schätzen, dass täglich bis zu 700 Migranten die libysche Küste verlassen.

Von der libyschen Küstenwache gerettete Flüchtlinge in Misrata. Ihr Schiff kenterte, dabei starben 400 Menschen. Bild: dpa

MISRATA/ZUWARA taz | Die Regeln der Schmuggler sind streng. Wer sich über die ständig wechselnden Nummern an die Schmuggler gewendet und die üblichen 1.000 Euro im Voraus gezahlt hat, muss sich Tag und Nacht bereithalten. Nur drei Stunden vor der Abfahrt kommt ein Anruf, dann geht alles schnell. Handy abgeben, nur das Nötigste einpacken, Gepäck ist tabu. Mit kleinen Lieferwagen geht es über Feldwege zu entlegenen Strandabschnitten.

Manchmal müssen die Gruppen von jeweils zwölf Leuten auch in verlassenen Häusern über Tage auf die Boote warten. Wer gegen das Kommunikationsverbot verstößt, wird hart bestraft, immer wieder werden Leichen mit Folterspuren am Strand gefunden. Die Strände der Berberstadt Zuwara sind ebenso berüchtigt für ihre Schmuggler wie die libysche Kleinstadt Garabuli.

Von Letzterer war auch das in der Nacht zum Sonntag verunglückte Boot gestartet. Die Strände Garabulis sind seit zwei Jahren Ausgangspunkt für Hunderte Boote, die sich auf den Weg nach Lampedusa oder Sizilien machen. Es sind oft kleinere Milizen, die nach den ausbleibenden Zahlungen des Verteidigungsministerium mit dem Schmuggel eine neue Einnahmequelle gefunden haben.

Im Chaos des Bürgerkrieges zwischen den beiden Militärallianzen Fajr Libya und Karama setzen sich immer mehr kriminelle Strukturen und Extremisten durch.

Bürgerwehren gegen Schmuggler

Von den Stränden der westlibyschen Küstenstädte Zliten, Khoms, Misrata und Zuwara schickten die Schmuggler im letzten Jahr mehr als 170.000 Flüchtlinge über das Mittelmeer, rund dreimal mehr als vor drei Jahren. Libysche NGOs schätzen, dass zurzeit täglich 300 bis 700 Migranten aus Subsahara Afrika die libysche Küste verlassen.

Die Polizei müssen die Schmuggler nicht fürchten, aber die Ablehnung der Öffentlichkeit in ihren Gemeinden. In der Küstenstadt Zuwari versuchen zumindest die sogenannten schwarzen Masken, eine Art Bürgerwehr, die Schmuggler fernzuhalten. Sie nimmt junge Männer aus Zuwara fest, die mit einem Netzwerk von Milizen im Süden kooperieren.

„2.000 Euro im Monat kann man nur mit dem Vermitteln ’der Ware‘ verdienen“, sagt ein Aktivist der schwarzen Masken. Er vermutet, dass auch in seinen Reihen Schmuggler arbeiten. „Es ist einfach zu viel Geld in kurzer Zeit zu verdienen“, sagt der Ingenieur.

Zwei Routen führen durch Libyen: Die Eriträer, Somalis und Sudanesen kommen meist in den Osten Libyens. Ab den Kontrollpunkten in Misrata und Sirte versuchen die Milizen der Brigade 166 die Flüchtlinge zu stoppen und sie in Internierungslager in Misrata zu bringen.

Arbeitsmarkt ist gesättigt

Die Hauptroute führt in die libyschen Wüstenoasen Murzuk und Gatru, wo die meisten jungen Männer in zwei Monaten genug Geld für die Weiterfahrt in die libysche Hauptstadt Tripolis verdienen – rund 1.000 Dinar kostet diese.

Wer es schafft, sich aus den Milizgefängnissen freizukaufen, fand bislang auf den zahlreichen privaten Baustellen Arbeit. Doch der Arbeitsmarkt ist auch hier gesättigt, immer mehr junge Männer stehen mit Schaufeln, Malerpinseln und Spachteln an den Kreuzungen, um ihre handwerklichen Dienste anzubieten.

Nach der Enthauptung ägyptischer Geiseln waren ägyptische Gastarbeiter aus Libyen geflohen, doch das hat nur kurzfristig Jobs gebracht. Der libysche Staat zahlt nur noch unregelmäßig Löhne aus und 70 Prozent der 6 Millionen Libyer sind öffentliche Angestellte.

Chaos des Bürgerkriegs

Seitdem sich der „Islamische Staat“ in Muammar Gaddafis ehemaliger Hochburg Sirte festgesetzt hat und junge Männer rekrutiert, fürchten die Misratis, dass auch die Flüchtlinge in deren Fänge geraten könnten.

In den letzten drei Jahren fanden die Flüchtlinge meist gut bezahlte Arbeit in Libyen, mit dem Absturz in den Bürgerkrieg und zwei konkurrierenden Regierungen ohne Budget stehen auch junge Libyer auf der Straße.

Der Chef der libyschen Küstenwache, Rida Berissa aus Misrata, kann nicht verstehen, dass Europa vor der Küste Libyens nicht mehr hilft. Mit zwei Booten überwacht die Marine einen 600 Kilometer langen Küstenabschnitt. Am Wochenende soll sogar ein libyscher Matrose auf einem italienischen Schiff nach Italien verschleppt worden sein. Italienische Fischer werden verdächtigt, den Menschenschmugglern logistisch zu helfen. „Wenn man uns an der Arbeit hindert, hören wir bald auf, die Boote zu stoppen“, warnt Berissa.

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2 Kommentare

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  • 5G
    5393 (Profil gelöscht)

    Gaddafhi 2010, wenn Europa nicht mit Libyen kooperiere, werde Europa schwarz: http://www.dw.de/gaddafi-droht-europa-geld-oder-fl%C3%BCchtlinge/a-6276484

     

    Logischerweise bombte man dann Gaddafhi weg, wer das hirnrissigerweise tat und ein Europa/Afrika-Gipfel gab es seit dem Gipfel mit Gaddafhi überhaupt nicht mehr, muss die Konsequenzen tragen. Kreuzfahrtschiffe bereit stellen, wer Fehler macht und das war das von Hilary Clinton und Sarkozy brutalst verlangte Gebombe (gegen Obama, der überhaupt nicht wollte, Gaddafhi war einer der besten Freunde Mandelas) muss die Dinge auch lösen, die man angerichtet hat.

     

    Das gilt auch für die EU, die ohne Gaddafhi überhaupt keinen EU/Afrika-Gipfel mehr zustande brachte, Engagement sieht anders aus als die Dauerbankrotterklärungen der EU.

     

    Ohne die weird man Gaddafhi scheint Afrika überhaupt nicht auf gleicher Augenhöhe wahrgenommen zu werden, von wegen arab spring, da tat sich in der Richtung doch restlos gar nichts, Tunesien etc. sind bei solche Initiativen völlig absent und weggetreten.

     

    Es bleibt lokale Mikropolitik, in Afrika und Europa, das sind Folgen einer Neoliberalisierung - der EU/Afrika-Gipfel war der Versuch, eine Neoliberalisierung zu verhindern, die Folgen davon stehen tgl. in den News.

  • Die funktionierende Regierung Libyens musste ja auch unbedingt weg.