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Flucht Innenminister trifft auf dem Katholikentag den Pro-Asyl-Chef und überrollt ihn mit PragmatismusVon Paulus zu Maizière

De Maizière mit Leipzigs Bürgermeister Jung Foto: Sebastian Willnow/dpa

aus Leipzig Philipp Gessler

Wie es um die Gastfreundschaft in Deutschland bestellt ist, lässt sich gut im Gewerbegebiet an der Braunstraße im Osten Leipzig ermessen. Auf einem Gelände so groß wie ein Fußballplatz ist eine „Erstaufnahmeeinrichtung“ für Flüchtlinge entstanden. Der Eingang ist scharf bewacht, überall stehen Securitymänner, und der Zaun würde auch einem Knast alle Ehre machen. Bis vor Kurzem waren hier Flüchtlinge untergebracht – nun schlafen in der Braunstraße gläubige Menschen, die zum Katholikentag nach Leipzig gekommen sind und keine andere Bleibe gefunden haben. Die Flüchtlingsfrage ist ein wichtiges Thema auf dem großen Christentreffen. Das passt.

Wer Näheres zum Thema Gastfreundschaft hierzulande erfahren wollte, konnte auch am Freitagmorgen in die Multifunktionshalle Arena kommen. „Vergesst die Gastfreundschaft nicht!“, war dort der Titel einer Veranstaltung zur Flüchtlingspolitik, angelehnt an eine Mahnung des Apostels Paulus an die Hebräer. Und es versprach brisant zu werden: Neben Bundesinnenminister Thomas de Maizière saßen unter anderem Günter Burkhardt, der Geschäftsführer von Pro Asyl, und Ulrike Kostka vom Berliner Caritasverband auf dem Podium.

Nur ein Stuhl blieb leer – er sollte für den ertrunkenen Flüchtlingsjungen Aylan Kurdi sein, dessen Bild als schreckliche Ikone des Todes vieler Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa die Weltöffentlichkeit im vergangenen Jahr bewegte. Auch ein Foto des lebenden Jungen im Arm seiner verschleierten Mutter wurde auf eine Leinwand über dem Podium geworfen. Pathetischer, aber auch treffender ist nicht zu zeigen, um was es am Ende in der Flüchtlingspolitik geht: um Leben und Tod.

Der Innenminister aber wollte in dieses Pathos nicht einstimmen – er gab, nicht ohne eine gewisse Lust an der Provokation, den Law-and-Order-Mann, der halt die Drecksarbeit zu tun hat, um die Flüchtlingskrise irgendwie zu managen: Im Ausland werde Deutschland wegen der Aufnahme so vieler Flüchtlinge bewundert, sagte er, aber „es können nicht alle bleiben“. Die nötigen Abschiebungen müssten mit Respekt und unter Achtung der Menschenwürde vollzogen werden.

So ging es weiter mit dem Innenminister: Der Sinn des EU-Deals mit der Türkei sei es, den Schleppern „das Geschäft ihres Lebens“ zu versauen. Die Wohnsitzauflage für Flüchtlinge in Deutschland diene dazu, eine Gettobildung zu verhindern. Beim Familiennachzug sei „eine gewisse Pause“ beschlossen, damit minderjährige Flüchtlinge nicht ohne Papiere von ihren Familien nach Europa vorangeschickt würden: „Das wollen wir nicht belohnen.“

Das Asylrecht, so de Mai­zière, habe nun mal ein hartes und ein freundliches Gesicht – und manchmal müsse man das harte zeigen. Nur einmal zeigte der Minister ein wenig Weichheit: „Als Christ weiß ich: Es gibt kein Handeln ohne Schuld.“

„Als Christ weiß ich: Es gibt kein Handeln ohne Schuld“

Innenminister Thomas de Maizière

Gegen diese Mauer aus Pragmatismus und Realpolitik kamen die anderen Gesprächspartner nicht an. Pro-Asyl-Chef Burkhardt bemühte Einzelschicksale von Flüchtlinge, fand damit aber kaum Beifall. Caritas-Chefin Kostka beklagte, dass die Ehrenamtlichen überfordert seien – aber sah zugleich eine Erholung bei ihnen, weil die Flüchtlingszahlen sänken.

Dem Großteil des eher kleinen Publikums in der Arena dürfte all das am Ende bekannt vorgekommen sein – aus unzähligen Talkshows. Immerhin: Die Podiumsdiskussion endete mit einem Gebet, das kommt im Fernsehen ja eher selten vor. Darin ging es auch um Engel, die an diesem Morgen in der Leipziger Arena nicht zu spüren gewesen waren.

Offenbar fehlte es an Gastfreundschaft auch hier. Denn das komplette Zitat aus dem Hebräerbrief lautet: „Vergesst die Gastfreundschaft nicht. Denn durch sie haben manche, ohne es zu wissen, Engel beherbergt.“

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