piwik no script img

■ Mit polnischen Schulden auf du und duFlorierender Handel

Warschau (taz) – Die beiden Herren auf der Versteigerung machten nicht den seriösesten Eindruck und wurden von mehreren anderen Herren, die sich als Geheimagenten auswiesen, des Saals verwiesen. Noch am gleichen Tag nahm die Danziger Polizei auf der Mole von Sopot 20 mutmaßliche Mitglieder einer Warschauer Schutzgelderpresserbande fest. Deren Boß, genannt „Pershing“, war nach Danzig gekommen, um die Schulden eines polnischen Rüstungsbetriebs zu ersteigern. Polens Geheimdienst UOP hatte dies in letzter Minute verhindert – und die Schulden selbst ersteigert.

Schulden erfreuen sich in Polen großer Beliebtheit. Sie werden gekauft, ersteigert und in Aktien umgewandelt. Manchmal werden sie sogar bezahlt. Grundlage ist ein Gesetz, das es den Banken ermöglicht, bis Ende des Jahres ihre Schulden loszuwerden. Der Staat hat ihnen dazu Obligationen vermacht, mit deren Hilfe sie auch größere Ausfälle ausgleichen können. Die Banken verhökern nun landauf, landab ihre Schulden.

Ein Bieter erwarb so eine 70-Millionen-Zloty-Schuld für gerade 16 Millionen. Natürlich rechnete er genausowenig wie vorher die Bank damit, daß sein Schuldner nun die 70 Millionen (6.000 Mark) bezahlen würde. Doch als Sicherheit fungierte ein Pkw, der ein Vielfaches wert war, und der gehört nun dem glücklichen Schuldenkäufer.

Die Möglichkeiten, in Polen Schulden einzutreiben, sind selbst für Banken gering. Allein die Ankündigung, ausstehende Schulden zur Versteigerung auszuschreiben, hilft da manchem säumigen Zahler auf die Sprünge. Der muß dann damit rechnen, daß seine Gläubiger solche Herren sind, wie sie auf der Mole von Sopot anzutreffen waren.

Vielen nutzt der neue Schuldenhandel. Wer Schulden einer Staatsfirma kauft, kann damit seine Steuern bezahlen. Es zählt dabei der Nominalwert, nicht das, was ein Steuerzahler tatsächlich dafür angelegt hat. Wer will, kann Schulden auch in Aktien umwandeln oder seinerseits seinen Gläubiger mit dessen Schulden bezahlen. Der wird dann ein langes Gesicht machen, wenn er mit seinen eigenen Schulden bezahlt wird.

Nur bezahlt werden die Schulden ganz selten, deshalb sind sie auch so wenig wert. Klaus Bachmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen