Fixierung auf Bürgermeister: Bremer CDU liebt „Bovi“

In jeder Landtagssitzung wieder fragen die Bremer Konservativen nach den Versäumnissen des „Senats Bovenschulte“ – welche Taktik steckt dahinter?

Bremens Bürgermeister mit E-Bass

Andreas Bovenschulte rockt die CDU – hier ausnahmsweise mit Bass und nicht Gitarre Foto: Hauke-Christian Dittrich / dpa

Die Bremer CDU hat ein Problem. Das ist zwei Meter groß, spielt Gitarre und sitzt seit 2019 dem Bremer Senat vor, nachdem die SPD bei den Bürgerschaftswahlen im Jahr 2023 ganz auf den Bovi-Faktor vertraut hatte. „Unser Bürgermeister“ und „Politik braucht Format“ stand damals über Fotos des wie ein Honigkuchenpferd grinsenden Andreas „Bovi“ Bovenschulte auf den Plakatwänden in der Stadt.

Der Plan ging auf. 141.420 Wäh­le­r:in­nen gaben ihm ihre Stimme, mehr als doppelt so viel wie dem SPD-Spitzenkandidaten Carsten Sieling vier Jahre zuvor. Auch dessen Vorgänger Jens Böhrnsen, immerhin zehn Jahre Regierungschef in der Stadt, in der immer die SPD regiert, bekam 2015 nur 94.000 direkte Stimmen.

Ähnlich beliebt war zuletzt nur Henning Scherf, zu dessen Regierungszeit es noch keine Personenstimmen gab. Und keine Pandemie, die dafür sorgte, dass Bovi über die Grenzen des kleinsten Bundeslands hinaus bekannt wurde. Regelmäßig erklärte er in Talkshows und Interviews die Bremer Coronapolitik und Impfstrategie, charmant und staatsmännisch zugleich. Ein Desaster aus Sicht der Bremer CDU.

Und die machte aus der Not eine Tugend, wie sich den Unterlagen zum diese Woche ­tagenden Landtag entnehmen lässt. Drei ­Anträge nehmen den „Senat Bovenschulte“ aufs Korn: „Mangelnde Förderung und Unterstützung des Senats Bovenschulte für den ­Photovoltaik-Ausbau“, „Wann wird der Senat ­Bovenschulte die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenzen zur Flüchtlingspolitik im Land Bremen endlich umsetzen?“, „Bezahlkarte unverzüglich im Land Bremen einführen – Senat Bovenschulte muss seine Versprechen aus der Ministerpräsidentenkonferenz einhalten!“ – so lauten die Titel der Anträge.

Haben die Konservativen eine Fixierung entwickelt, weil ihnen selbst eine charismatische Führungsfigur fehlt?

Nicht einfach die Landesregierung, sondern den beliebten Bürgermeister in googlebaren Überschriften als Pennbacke darzustellen, ist keine neue Erfindung der Bremer Konservativen. Sie machen das seit September 2023 in jeder Sitzung der Bürgerschaft. Nur im ­Dezember 2023 war mal Ruhe, vielleicht wegen Weihnachten.

Die Datenbank der Bürgerschaft spuckt keine Treffer zu seinen drei Amtsvorgängern aus, da hieß es nur, dem „rot-grünen“ oder „rot-grün-roten Senat“ sei die deutsche Verteidigungsfähigkeit egal, er versage beim Thema Bildungs- und Chancengleichheit, oder er agiere bei der Innenstadtentwicklung ohne Plan und Ziel. Und das auch nur ab und an, nicht jeden Monat wieder. Auch in den Pressemitteilungen der Bremer CDU versagt gerne „der Senat Bovenschulte“. Bovi, Bovi, Bovi.

Haben die Bremer Konservativen eine Fixierung entwickelt? Weil ihnen selbst eine charismatische Führungsfigur fehlt, seitdem Bernd Neumann 2008 nach 29 Jahren den Platz als Landesvorsitzender geräumt hat? Oder glauben sie, den Bremer Bürgermeister damit vor den Bür­ge­r:in­nen diskreditieren zu können? Weil die beim flüchtigen Lesen nur wahrnehmen: „Schwimmflächen in Bremen werden immer knapper – geht Bovenschulte auch beim nächsten Thema baden?“ Und „Bovenschulte trägt Schuld an sanierungsbedürftigen ­Brücken, maroden Straßen und leistungsschwachem ÖPNV“?

Oder geht es gar nicht darum, den Bürgermeister niederzumachen, sondern alle um ihn herum, die Koalitionspartner Grüne und Linke, auf dass sie ganz hinter seinem breiten Kreuz verschwinden mögen und Wäh­le­r:in­nen aus dem Spektrum links der SPD bis 2027 vergessen haben, dass sie noch jemand anderes wählen können als Bovi? Dann bliebe nur noch die CDU als Koalitionspartner übrig.

Das ist entweder ganz schön schlau oder knackendämlich, weil der Personenkult auch nach hinten losgehen könnte: wenn das Branding so gut funktioniert, dass auch die eigenen Leute bei Bovi das Kreuz machen.

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Seit 2003 bei der taz als Redakteurin. Themenschwerpunkte: Soziales, Gender, Gesundheit. M.A. Kulturwissenschaft (Univ. Bremen), MSc Women's Studies (Univ. of Bristol); Alumna Heinrich-Böll-Stiftung; Ausbildung an der Evangelischen Journalistenschule in Berlin; Lehrbeauftragte an der Univ. Bremen; in Weiterbildung zur systemischen Beraterin.

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