Fischverzehr: Fischer fischen munter weiter
Neuer Rekord beim Konsum von Meerestieren. Überfischung und illegale Fänge bedrohen die Bestände. Bundesamt fordert Managementplan für Nord- und Ostsee.
Etwa 15,6 Kilo Fisch hat jeder Einwohner Deutschlands 2008 verzehrt, und das ist ein Rekord. Der Trend setze sich in diesem Jahr fort, so dass mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 16 Kilo zu rechnen sei, sagte Stefan Schulze, Vorsitzender des Fisch-Informationszentrums (FIZ) am Mittwoch in Hamburg. Deutsche Fischer landeten 2008 rund 310.000 Tonnen an. Der überwiegende Teil des Gesamtverbrauchs von 1,28 Millionen Tonnen wurde importiert. Zwei Drittel des Fangs besteht aus Meeresfischen (siehe Kasten). Das FIZ ist das Öffentlichkeitsarbeitsbüro der deutschen Fischwirtschaft.
Beim Verbrauch machen frische Fische jedoch nur 8 Prozent aus. Mehr als zwei Drittel des Fangs kommt als Konserve oder Tiefkühlkost auf den Teller, ein Zehntel sind Krebse und Weichtiere, der Rest wandert in Salate und Marinaden.
Nach Angaben von Schulze ist ein Viertel der Weltfischbestände "überfischt" und damit im Bestand bedroht. Dazu gehörten vor allem Thun- und Schwertfische. Die Hälfte sei "maximal genutzt", das restliche Viertel werde nicht ausgeschöpft. Nach Studien der Umweltverbände Greenpeace und WWF gilt aber auch der Deutschen liebster Speisefisch Alaska-Seelachs ebenso als bedroht wie Seehecht, Lachs, Kabeljau und alle Plattfischarten.
Beliebtester Speisefisch im Vorjahr blieb mit 24,7 Prozent Anteil Alaska-Seelachs vor Hering (20,8%), Lachs (11,1%) und Thunfisch (10,8%). Mit großem Abstand auf Platz 5 rangiert der asiatische Zuchtfisch Pangasius mit 4,4%.
Die weiteren beliebten Meeresfische - Seelachs, Rotbarsch, Kabeljau, Makrele und Scholle - ergeben zusammen 11,2 Prozent der Fangmenge.
Süßwasserfische kommen noch seltener auf den Teller: Forellen, Karpfen und Zander erreichen zusammen lediglich 5,1 Prozent der Gesamtmenge.
Krebs- und Weichtiere ergeben 10,0 Prozent.
Das Problem sei die Piratenfischerei, weist Schulze die industrielle Schuldfrage von sich. Illegale Fänge wiesen weltweit mit etwa 10 Milliarden Euro höhere Erlöse auf als die EU-Fangflotte mit etwa 7 Milliarden Euro. "Fischer, die sich nicht an Vorschriften halten, rauben den ehrlichen Fischern die Lebensgrundlage", sagt Schulze und fordert schärfere Einfuhrkontrollen.
Zwar seien auch in Nord- und Ostsee mehr als 80 Prozent der Bestände überfischt, räumt FIZ-Geschäftsführer Matthias Keller ein. Dem Hering aber gehe es gut, und auch der Kabeljau (in der Ostsee Dorsch genannt) nehme wieder zu. Deshalb plant die EU-Kommission, im kommenden Jahr die Fangquoten anzuheben. In der östlichen Ostsee sollen sie um 15 Prozent auf 51.267 Tonnen und in der westlichen Ostsee um neun Prozent auf 17.700 Tonnen Dorsch heraufgesetzt werden. Bei den Beständen habe sich mehrjähriger Schonplan bemerkbar gemacht. Die tatsächlichen Quoten werden im Oktober von den EU-Fischereiministern festgelegt und liegen meist deutlich über den Empfehlungen der Kommission.
Ein "besseres Management für die Fischerei in Nord- und Ostsee" fordert hingegen das Bundesamt für Naturschutz (BFN). In einer aktuellen Studie verlangt das Amt die drastische Reduzierung der Fangmengen und das Verbot der Fischerei in Meeresschutzgebieten. Ansonsten drohten, so BFN-Präsidentin Beate Jessel, "gravierende Beeinträchtigungen des gesamten Meeresökosystems".
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