: Fischer mag seine CDU nicht mehr
Landesvorsitzender der Union übt harsche Kritik am Erscheinungsbild seiner eigenen Partei und an der Ämterhäufung einzelner Funktionäre: „Ortsvorsitzende pfeifen aus dem letzten Loch.“ Andere sind die „ewigen Nörgler“
von PETER AHRENS
Durch übermäßige Selbstkritik ist CDU-Landeschef Dirk Fischer bisher nicht aufgefallen. Aber die neueste Wahlniederlage seiner Partei bei der Bundestagswahl vor einem Monat hat ihn zu der Erkenntnis gebracht, dass es so mit der Christdemokratie in der Hansestadt nicht weiter gehen könne: „Es darf bei uns einfach keinen Gewöhnungseffekt unter 30 Prozent geben.“ Dafür hat Fischer seine Zurückhaltung gestern aufgegeben und scharfe Kritik an zahlreichen CDU-FunktionsträgerInnen geübt. „Ich habe Ortsvorsitzende, die aus dem letzten Loch pfeifen, weil sie gleichzeitig auch in der Bürgerschaft sitzen“, warf er Parteimitgliedern Ämterhäufung vor. Andere bezeichnete er als „ewige Nörgler, die sich selber fragen müssten, wie viel sie für die Partei tun“. In der Hanse-CDU gebe es einzelne Ortsverbände, „die noch nicht mal in der Lage sind, im Wahlkampf einfachste Wahlinfomationen weiterzugeben“.
Fischer stellte fest, dass die CDU im Norden bei der Bundestagswahl weder bei den Jüngeren, noch bei den Frauen Land gesehen habe. Das „miserable Ergebnis von 1998 ist sogar noch schlechter geworden“, bilanzierte er. Thematisch habe man sich zu sehr auf die Felder Wirtschaft und Arbeit verlegt, statt zum Beispiel mit Familienpolitik zu argumentieren. Bereiche wie die Ökologie habe man kampflos Rot-Grün überlassen: „Heute umfasst der Begriff Sicherheit auch Verbraucherschutz und den Schutz vor ökologischen Katastrophen“, verlangte er von seiner Partei das „Ausweiten des Spektrums auf neue Milieus“.
Dies sei allerdings „kein spezifisches Versagen der Hamburger CDU und ihres Vorsitzenden“, baute er Vorwürfen an die eigene Person vor. Alle Landesverbände nördlich des Mains hätten ähnliche Probleme. Die CDU habe ingesamt „viel zu defensiv“ gekämpft.
In Hamburg als Großstadt sei die Situation seiner Partei jedoch besonders dramatisch. „Selbst in bürgerlichen Stadtteilen wie Hoheluft oder Winterhude kämpfen wir mittlerweile mit den Grünen um den zweiten Platz.“ Von einer absoluten Mehrheit in der Stadt sei man ohnehin „meilenweit entfernt“. Was für ihn vor allem am maroden Zustand vieler Kreis- und Ortsverbände liegt. Dass Kreisparteichefs in Personalunion Bürgerschaftsabgeordnete sind, ist für Fischer „keine Idealvorstellung“. Eine Trennung von Amt und Mandat wäre für ihn aber denn doch „zu schematisch“.
Die Arbeit des Rechtssenats bezeichnete er als „ordentlich“, die Umfragewerte von Bürgermeister Ole von Beust „außergewöhnlich gut“. Dagegen warf er FDP-Schulsenator Rudolf Lange vor, „durch handwerkliche Fehler negative Konflikte“ heraufbeschworen zu haben, „die auch bei unserer Wählerschaft nicht gut geheißen wird“. Der Senat solle künftig alles tun, um zu vermeiden, „Nachbesserungen und Korrekturen vornehmen zu müssen“.
Am kommenden Wochenende trifft sich die Parteispitze zur Klausurtagung in Jesteburg, und Fischer erhofft sich davon einen Schub für die Parteiarbeit. Ihm schwant jedoch, dass „einige sich in Jesteburg groß auskotzen, und danach ist wieder alles wie vorher“. Dass sich die Kritik auch gegen Fischer selbst wendet – immerhin ist er seit zehn Jahren Landeschef – dafür hat er „noch keine Anzeichen“ wahrgenommen. „Die Leute wissen schließlich: Der Dirk Fischer ist mit seinen Grenzen und Möglichkeiten so, wie er immer war.“
Ob er als Parteichef ab 2004 noch einmal für eine Amtsperiode antritt, das sei „heute noch nicht zu entscheiden“. Großen persönlichen Ehrgeiz habe er jedoch nicht mehr zu stillen: „Mit meinen persönlichen Ambitionen bin ich über den Berg.“
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