Fischer bleibt Österreichs Bundespräsident: Mehrheit für den "roten Heinzi"
Der Sozialdemokrat Fischer wurde mit großer Mehrheit als Bundespräsident bestätigt. Die Rechte Rosenkranz blieb unter dem Potential ihrer Partei.
WIEN taz | Erleichterung machte sich breit in der feierlich aufgeputzten Ovalhalle des Wiener Museumsquartiers, als um 17 Uhr die erste Hochrechnung am Videoschirm erschien: mit 78,7 Prozent wurde der Sozialdemokrat Heinz Fischer als Bundespräsident deutlich bestätigt. Barbara Rosenkranz von der FPÖ blieb mit 15,5 Prozent unter dem Potential ihrer Partei. Der katholische Fundamentalist Rudolf Gehring erreichte mit 5,8 Prozent nicht mehr als einen Achtungserfolg.
Alles andere als ein deutlicher Sieg von Heinz Fischer wäre eine Sensation gewesen. Noch nie ist ein amtierender Präsident, der sich um eine zweite Amtszeit bewarb, geschlagen worden. Und Fischers Gegner wären unter anderen Umständen als Scherzkandidaten abzuhaken gewesen.
Barbara Rosenkranz von der FPÖ ist ein Versatzstück aus der deutschnationalen Vergangenheit der Partei. Rudolf Gehring, der für die selbst gegründete Christliche Partei Österreichs (CPÖ) antrat, ist ein verschrobener Sektierer, der das verpflichtende Gebet vor dem Ministerrat einführen und die biblische Schöpfungsgeschichte als gleichwertig neben der Evolution im Naturkundeunterricht verankert sehen will. Beide dienten sich der Wählerschaft der ÖVP als Option an. Gehrung verbreitete die Frohbotschaft, mit Gottes Hilfe würde er eine Stichwahl erzwingen.
FPÖ-Parteichef Heinz Christian Strache sprach in einer ersten Reaktion von einem „beachtlichen Ergebnis“ angesichts der „unglaublichen medialen Hetzjagd und Hexenjagd“ gegen Barbara Rosenkranz, die am Beginn ihres Wahlkampfes keine klare Position zum NS-Wiederbetätigungsgesetz und der Existenz von Gaskammern gefunden hatte. Auf Zuruf der auflagenstarken Kronen Zeitung musste sie sich gar in einer eidesstattlichen Erklärung vom NS-Gedankengut distanzieren.
Einen Schatten auf den Triumph Fischers wirft die geringe Wahlbeteiligung, die mit rund 48 Prozent einen historischen Tiefststand erreichte. Wenn die Wahlkarten noch dazugezählt werden, könnte diese Zahl noch auf rund 52 Prozent steigen. Das liegt noch deutlich unter den 71,6 Prozent von der Präsidentenwahl 2004. Schuld daran ist wohl nicht nur das milde Frühlingswetter und der Eindruck, die Wahl sei längst gelaufen, sondern auch die ÖVP, die zwar keinen eigenen Kandidaten aufstellte, sich aber auch nicht zu einer Empfehlung für den als überparteilich antretenden Fischer durchringen konnte. Vielmehr ließen die Parteispitzen keine Gelegenheit aus, den „roten Heinzi“ schlecht zu machen. Zwar konnten sie ihm keine einzige tatsächliche Verfehlung während seiner sechsjährigen Amtszeit vorwerfen, doch kreiden sie ihm an, „aus dem Herzen der Sozialdemokratie“ zu stammen. Fischer ist der letzte noch aktive Politiker der Ära Bruno Kreisky, die vor vierzig Jahren begann und als Periode der gesellschaftspolitischen Reformen in Erinnerung blieb.
Erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik rief eine der Großparteien ihre Sympathisanten auf, weiß, also ungültig, zu wählen. Man wollte, so die übereinstimmende Meinung der Politologen, dem bei vergangenen Wahlgängen gedemütigten Koalitionspartner keinen Erfolg gönnen. Da habe man es sogar eine Stärkung des extrem rechten Lagers in Kauf genommen. In den ÖVP-dominierten Bundesländern Tirol und Vorarlberg war die Wahlbeteiligung mit unter 40 Prozent besonders niedrig.
Nur wenige ÖVP-Prominente wagten es, zur Wiederwahl von Fischer aufzurufen. Die meisten sind als Politpensionisten bereits der tagespolitischen Polemik entrückt. Einer der wenigen noch aktiven ist der EU-Abgeordnete Otmar Karas, der mit seinem Parteichef Josef Pröll noch eine Rechnung offen hat seit er als langjähriger Fraktionsleiter und erfahrener Europapolitiker letztes Jahr zurückgestuft wurde.
Was Fischer von seinen Sympathisanten am meisten angekreidet wurde, ist seine oft übertriebene Ausgewogenheit. Selten meldet er sich zu politisch heiklen Themen zu Wort. Sein Eintreten für das Bleiberecht des kosovarischen Flüchtlingsmädchens Arigona Zogaj, das in Oberösterreich aufgewachsen ist und sich der Abschiebung durch Selbstmorddrohung zu entziehen versuchte, gehört schon zu den mutigsten Stellungnahmen.
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