piwik no script img

Finnischer Journalist verärgert ErdoğanSind Sie ein Diktator?

Wenn ein rosa Elefant im Raum steht, muss man manchmal einfach sagen, dass da ein rosa Elefant im Raum steht.

Zum Staatsbesuch ihres Präsidenten bei Erdoğan reisten auch einige finnische Journalisten in die Türkei. Foto: dpa

Manchmal bringt es einfach nichts, um den heißen Brei herumzureden. Und bei manchen Menschen kann einen nicht einmal die gebotene Höflichkeit davon abhalten, die Dinge beim Namen zu nennen. Schon gar nicht einen Journalisten. Das dachte sich wohl auch Tom Kankkonen. Er arbeitet für den finnischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk YLE und nahm vor einigen Tagen an einer Pressekonferenz in Ankara teil. Anlass war der Staatsbesuch von Sauli Niinistö, dem Präsidenten Finnlands.

Der Besuch galt dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan und auf der Agenda standen Wirtschaft, Sicherheit und politische Fragen – aber auch die Anschläge vom 10. Oktober.

Niinistö versuchte im Vorfeld den Besuch mit Humor zu nehmen und gab sich gegenüber Erdoğan mit kleinen Seitenhieben zufrieden – er sagte etwa, dass es aufgrund der Größe äußerst schwierig sei, sich im Präsidentenpalast zurechtzufinden. „Ich hoffe, dass ich dort nicht verloren gehe“, sagte er im Interview mit der türkischen Zeitung Hürriyet kurz vor dem Treffen. Der letztes Jahr fertiggestellte Palast wurde wegen seiner Größe und der Kosten vielfach kritisiert.

Verwickelt in die Attentate?

Kankkonen, der beim finnischen TV-Sender YLE arbeitet, wollte sich aber nicht mit derlei diplomatischem Geplänkel abgeben. Er nannte das Kind beim Namen und fragte Erdoğan gerade heraus, ob er ein Diktator sei. In fließendem Türkisch, wie Hürriyet Daily News berichtete sagte er: „Ich hatte die Möglichkeit durch Ihr schönes Land zu reisen. Unglücklicherweise haben manche Bürger Angst vor Ihnen. Sie sagen, dass Sie das Land wie ein Diktator regieren. Gleichzeitig, was noch extremer ist, sagen manche Leute, dass der Staat in die Terroranschläge in Ankara verwickelt ist. Was denken Sie über diese Anschuldigungen?“

Erdoğan war not amused. Erst fragte er für welchen Sender er arbeite und antwortete dann: „Sie sollten selbst sehen, dass Sie so eine Frage im Land eines Diktators gar nicht stellen könnten.“ Er sei letztes Jahr mit 52 Prozent legitim zum Präsidenten gewählt worden, fügte er noch hinzu. Außerdem wäre es in einer Diktatur gar nicht möglich einen Staatschef oder seine Familie zu beleidigen, ohne dass das Konsequenzen hätte. Ein Treppenwitz – ist doch bekannt, das Erdoğan alle naselang versucht, die Presse oder die Kunstszene einzuschüchtern.

Für Tom Kankkonen hatten seine Fragen natürlich keine Konsequenzen. Nur auf Twitter scheint es jetzt teilweise unangenehm für den Journalisten zu sein. Erdoğan-Anhänger nennen ihn etwa einen Terroristen und dass das dumme Fragen gewesen seien. Er wird aber auch vielfach für seine offenen Fragen gelobt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • 2G
    27694 (Profil gelöscht)

    „Frau Merkel, warum wird Herr Schäuble ihr Finanzminister?“ Diese Frage wurde ja auch nicht von deutschen JournalistInnen gestellt, aber damals war es wohl ein grauer Elefant. Und diese Wesen können ja bekanntlich an jedem Ort und in jedem Raum auftreten ohne dass deutsche JournalistInnen sich wundern.

  • Löblich, das Verhalten des Reporters.