Finnische Bürgerwehr gegen Rassisten: Die freundlichen Schwestern
Die „Kyllikin siskot“ verteilen Umarmungen gegen das Gefühl von Unsicherheit. Sie wollen ein Gegengewicht zu rassistischen Bürgerwehren schaffen.
![Eine Clownin begleitet einen Polizisten in Demonstrationsausrüstung durch eine Fußgängerzone. Eine Clownin begleitet einen Polizisten in Demonstrationsausrüstung durch eine Fußgängerzone.](https://taz.de/picture/1021332/14/15161940.jpeg)
Der sprichwörtliche Tropfen, der für sie dann das Fass zum Überlaufen gebracht habe, sei die selbsternannte Bürgerwehr der “Soldiers of Odin“ gewesen. Rechtsextremisten und Rassisten, unter denen sich nach Polizeierkenntnissen Kriminelle befinden, die schon reichlich Bekanntschaft mit schwedischen Gardinen gemacht haben. Aber die nun vorgeben, die finnischen MitbürgerInnen vor Gefahren, die angeblich von Asylsuchenden ausgingen, schützen zu müssen.
Vor 20 Jahren habe sie es selbst schon einmal miterlebt, wie man den Skinheads einfach das Feld überlassen habe, empört sich Ruuskanen: „Wir hatten Angst, abends nach Hause zu gehen. Aber es wurde nichts gegen die unternommen.“
Das solle sich nicht wiederholen. Vielmehr hoffe sie, dass die Menschen jetzt bereit seien, Flagge zu zeigen. Die Notwendigkeit verstünden, nicht auszugrenzen, sondern Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit zu demonstrieren. Zeigen, dass Finnland ein tolerantes und sicheres Land sei.
Die Hälfte der Schwestern sind Männer
Gesagt, getan. Ruuskanen formulierte einen Facebook-Aufruf für eine etwas andere Art von „Bürgerwehr“: Bürger, die sich gegen Vereinnahmung durch die Rassisten wehren wollten. „Denn wenn man nur Teil der schweigenden Mehrheit ist, tut man dann etwas anderes, als all das passiv zu akzeptieren?“
Einen passenden Namen für ihre „Straßenpatrouille“ hatte sich Ruuskanen auch gleich überlegt: „Kyllikin siskot“, Kyllikkis Schwestern. Und um für Kyllikki – eine Gestalt aus dem finnischen Nationalepos „Kalevala“, eine selbstbewusste junge Frau – Mitkämpferinnen zu finden, sei leichter gewesen, als sie sich das vorgestellt habe.
Wobei sie allerdings nicht damit rechnete, dass rund die Hälfte der potenziellen „Schwestern“, die sich da meldeten, Männer waren. Das beweise, wie weitverbreitet das Gefühl der Frustration sei, gegen das man nun etwas tun will.
Eine erste Gruppe der „Kyllikin siskot“ fand sich im ostfinnischen Joensuu zusammen. Für die „Schwestern“ in der nordwestlichen Grenzstadt Kemi, wo es eine große zentrale Unterkunft für Asylsuchende gibt, hatte Katja Hietala die Initiative übernommen.
Drohungen in sozialen Netzwerken
Freitags, spätnachmittags und abends, wenn sich viele Menschen auf den Straßen bewegen, versuche man ein Gefühl der Zusammengehörigkeit zu verbreiten, erzählt sie, biete Hilfe an, verteile Umarmungen und hoffe so dem Gefühl von Unsicherheit etwas entgegensetzen zu können.
„Eigentlich Kleinigkeiten also“, sagt Sari, ein anderes Mitglied der „Kyllikin siskot“: „Aber auch kleine Bäche haben ja das Zeug zu einem Fluss.“ Vor allem wolle man demonstrieren, dass man sich niemandem gegenüber misstrauisch oder abweisend verhalten soll, nur weil man ihn nicht kenne, er aus einem fremden Land hierhergekommen sei.
Probleme mit den „Straßenpatrouillen“ habe man bislang nicht gehabt, berichtete der örtliche Polizeikommissar Eero Vänskä im Fernsehen. Aber in Kemi habe es nie Vorfälle von sexueller Belästigung seitens Asylsuchender gegeben.
Drohungen mit sexueller Gewalt haben dagegen die „Schwestern Kyllikkis“ erfahren. Sowohl ihr wie ihrer Tochter sei in sozialen Netzwerken angedroht worden, sie zu vergewaltigen, sagt Sari: „Das kam nicht von Asylsuchenden, sondern von finnischen Männern, denen wohl nicht passt, was wir tun.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Krisentreffen nach Sicherheitskonferenz
Macron sortiert seine Truppen
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär