Finanztransaktionssteuer in Europa: Deutschland und Frankreich nölen
Kann das sein? Nachdem die lange geforderte Abgabe auf Finanztransaktionen endlich beschlossen ist, bremsen nun plötzlich die zuletzt größten Befürworter.
BRÜSSEL taz | Offiziell ist alles auf bestem Wege. Selbst auf der Website der Globalisierungskritiker von Attac deutet nichts darauf hin, dass die von elf EU-Ländern geplante neue Finanztransaktionssteuer platzen könnte. Doch hinter den Kulissen in Brüssel wachsen die Zweifel. Seit Großbritannien vor zwei Wochen Klage gegen die Steuer auf Finanzgeschäfte eingereicht hat, formieren sich die Gegner neu. Die für 2014 geplante Einführung erscheint plötzlich fraglich.
„Kaum ein Tag vergeht ohne neue Studien, Alarmbriefe oder Veranstaltungen gegen die Steuer“, ärgert sich der grüne Finanzexperte Sven Giegold. Als Erstes kam Luxemburg aus der Deckung. Man habe Verständnis für die Klage der Briten und unterstütze sie, sagte Finanzminister Luc Frieden. Wie die Londoner City fürchtet auch das Bankenparadies Luxemburg, dass die Steuer den Handel mit Drittländern beeinträchtigen könnte.
Die Abgabe würde wie eine Mehrwertsteuer auf Wertpapiergeschäfte wirken. Banken, Versicherungen und Investmentfonds sollen sie auf jede Transaktion zahlen. Sowohl Käufer als auch Verkäufer sollen den Plänen der EU-Kommission zufolge besteuert werden. Jährlich könnten so immerhin bis zu 35 Milliarden Euro zusammenkommen, so die Behörde.
Doch nun bremsen auch die bisher größten Befürworter. „Offensichtlich rudern inzwischen Deutschland und Frankreich zurück“, fürchtet Giegold. Deutschland verzögere die Arbeit in der eigens für die Finanzsteuer eingerichteten Arbeitsgruppe der Mitgliedsländer; Frankreich wolle seine Derivatemärkte schützen und sie am liebsten gar nicht besteuern.
Die Regierungen bekommen kalte Füße
„Dann ist die Steuer jedoch ordnungspolitisch sinnentleert“, warnt Giegold. Die Masse kurzfristiger Transaktionen wäre dann steuerbefreit. Andere Experten teilen diese Sorgen. „Die Regierungen bekommen kalte Füße“, meldet der Brüsseler Insiderdienst EUobserver und verweist auf ein sechsseitiges Memo aus dem Ministerrat, das vor negativen Folgen der Finanzsteuer warnt.
Die neue Steuer könne die Geldbeschaffung der EU-Staaten am Anleihemarkt erschweren, heißt es darin. Vor allem kurz laufende Staatsanleihen wären schwerer zu verkaufen. Wenn dies stimmt, wäre das ein ernstes Problem für die klammen Staaten.
Aus geldpolitischer Sicht sei die Finanztransaktionssteuer in ihrer derzeitigen Form „sehr kritisch“ zu bewerten, warnt Bundesbankpräsident Jens Weidmann. Daneben gibt es aber auch praktische Probleme – und politische Rücksichten.
Vor allem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble lässt keine Gelegenheit aus, seinen britischen Amtskollegen George Osborne zu umgarnen. Als dieser die Klage vor dem Europäischen Gerichtshof ankündigte, gab sich Schäuble gelassen. Er gehe davon aus, dass der Vorschlag der EU-Kommission regelgemäß sei.
Im Budgetentwurf für 2014 hat Schäuble aber noch keine Einnahmen aus der Abgabe veranschlagt: Man solle keine unrealistischen Erwartungen wecken, so der CDU-Politiker. Man kann es aber auch anders interpretieren: Schäuble glaubt selbst nicht mehr an die Steuer.
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