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Finanznot gefährdet Kriegsverbrechertribunal

■ Hauptverfahren gegen Dusko Tadić soll erst im kommenden Jahr beginnen

Den Haag (dpa) – Die Finanznot der Vereinten Nationen gefährdet den Prozeß gegen den mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrecher Dusko Tadić vor dem UN- Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Der zunächst für November 1995 geplante Beginn des Hauptverfahrens wurde gestern auf den 6. Mai 1996 oder einen noch späteren Zeitpunkt verschoben. Tadić Hauptverteidiger, Michail Wladimiroff, kündigte an, daß er im Dezember die Einstellung des Verfahrens und Freilassung seines Mandanten beantragen werde, wenn die Finanzmittel der Verteidigung bis dahin nicht erheblich aufgestockt worden seien.

„Wenn die Vereinten Nationen ein Verfahren beginnen, dann müssen sie es auch bezahlen“, sagte Wladimiroff. Er brauche Geld, um nach Bosnien reisen und dort Entlastungszeugen ausfindig machen zu können. Wenn er dafür keine Mittel bekomme, müsse Tadić freigelassen werden. Schließlich sei er schon seit April dieses Jahres in Den Haag in Haft.

Sowohl die Vorsitzende Richterin im Vorverfahren, Gabrielle McDonald, als auch Ankläger Grant Niemann bezeichneten die Forderungen von Wladimiroff gestern als gerechtfertigt. McDonald versprach, sich trotz der Finanzkrise der UNO in New York für eine Aufstockung der Mittel einzusetzen. Der Sprecher des Sondergerichts, Christian Chartier, schloß nicht aus, daß Geldmangel die Arbeit des Kriegsverbrechertribunals irgendwann unmöglich machen werde.

Wladimiroff informierte die Richter auch darüber, daß die bosnischen Serben jede Zusammenarbeit mit ihm bei der Zeugensuche ablehnten. Dadurch werde ihm von vornherein die Möglichkeit genommen, Tadić gut zu verteidigen. „Die Zeugen der Anklage halten sich heute außerhalb des ehemaligen Jugoslawiens auf, aber unsere Zeugen leben innerhalb des Landes“, sagte Wladimiroff. Tadić leide inzwischen unter psychosomatischen Beschwerden wie regelmäßigen Magen- und Kopfschmerzen.

Tadić selbst wies gestern alle neuen Vorwürfe zurück, die die Anklagebehörde in einer erweiterten Anklageschrift gegen ihn erhoben hatte. „Ich war an keinem der erwähnten Verbrechen beteiligt“, sagte er. Der 39jährige ist wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und schweren Verstößen gegen die Genfer Völkerrechtskonvention angeklagt. Unter anderem soll der ehemalige Lagerkommandant dreizehn muslimische Zivilisten ermordet haben. Außerdem muß er sich wegen Folter und Vergewaltigung verantworten.

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