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Finanzmarktkritiker über Wirecard„Happy mit der Kuschelaufsicht“

Finanzminister Scholz und Wirtschaftsminister Altmaier scheuten Konflikte mit Finanzakteuren, sagt Gerhard Schick von der „Bürgerbewegung Finanzwende“.

Bei Altmaier sei das Kuscheln mit den Wirtschaftsprüfern noch „viel schlimmer“ als bei Scholz Foto: Michael Sohn/dpa
Anja Krüger
Interview von Anja Krüger

taz: Herr Schick, kann sich ein Betrugsskandal wie Wirecard wiederholen?

Das hängt davon ab, ob dieses Mal, anders als in der Vergangenheit, die erforderlichen Reformen erfolgen. Das sehe ich noch nicht.

Finanzminister Olaf Scholz hat nach dem Wirecard-Skandal ein Reformpaket vorgelegt. Reicht das nicht?

Es geht an dieser Stelle nicht nur um den Finanzminister Olaf Scholz, sondern auch um Wirtschafts­minister Peter Altmaier, der für die Aufsicht der Wirtschaftsprüfer zuständig ist. Eine Baustelle ist aber in der Tat die Finanzaufsicht Bafin. Ein Teil unserer Forderungen ist erfüllt. Eine Task Force für schnelles Eingreifen bei einem Verdacht ist gut, auch eine Fokusaufsicht für ­besonders komplexe Unter­nehmen. Aber einige Punkte fehlen.

Welche?

Der ganze Bereich Anleger- und Verbraucherschutz ist weiterhin nur ein kleiner Bereich in der Wertpapieraufsicht. Diese Sicht, Anleger vor möglichen Betrügereien zu schützen, ist nach wie vor völlig unterbelichtet bei der Bafin. Die Schnittstelle zum Finanzministerium ist nach wie vor ungeklärt. Die Rechtsaufsicht hat nicht funktioniert, als die Bafin sich bei dem Leerverkaufsverbot für Aktien von Wirecard nicht an die Regeln gehalten hat. Das politische Lobbyieren von Wirecard hat dazu geführt, dass es auf Regierungsseite eine freundliche Unterstützung von Wirecard gab. Man muss sicherstellen, dass politische Interessen nicht die Aufsichtsarbeit behindern.

Wird die Aufsichtsarbeit besser?

Es gibt nach wie vor keine Verpflichtung der Bafin, zu ermitteln und einzugreifen. Die öffentliche Kontrolle fehlt. Andere Aufsichtsbehörden geben viel besser Einblick in ihre Arbeit. Sie verstehen sich mehr als Dienstleister für Bürgerinnen und Bürger, während die Bafin im Wesentlichen zu Banken- und Versicherervorständen kommuniziert. Wir brauchen einen Kulturwandel von einer Kuschelaufsicht zu einer wirklich schlagkräftigen Aufsicht. Die Bundesregierung hat die Chance nicht genutzt, endlich eine bundeseinheitliche Börsenaufsicht einzurichten. Scholz springt bei der Reform der Finanzaufsicht bisher zu kurz.

Im Interview: Gerhard Schick

49, ist Vorstand der NGO Bürger­bewegung Finanzwende. Der Volkswirt war von 2005 bis 2018 für die Grünen im Bundestag.

Die Arbeit des Wirecard-Untersuchungsausschusses hat die Chefs der drei wichtigsten Finanzaufsichtsbehörden den Job gekostet: der BaFin, der Wirtschaftsprüferaufsicht Apas und der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung. Hätten sie ohne den Ausschuss einfach weitermachen können?

Alle drei Behördenleiter haben an ganz wichtigen Stellen versagt, das ist niemandem aufgefallen. Selbst als Wirecard aufflog, haben die Minister Altmaier und Scholz nicht das Nötige getan, um für eine personelle Neuaufstellung zu sorgen. Erst der Untersuchungsausschuss hat die entscheidenden Fragen gestellt, die die drei aus dem Amt gehievt haben. Die Bereitschaft von Altmaier und Scholz, wirklich aufzuräumen nach dem Wirecard-Skandal, war nicht vorhanden. Sie sind erst durch den parlamentarischen Druck tätig geworden. Das ist erschreckend.

Warum ist das so?

Es fehlt die Bereitschaft, sich mit den Mächtigen am Finanzmarkt anzulegen. Die Branchenverbände sind ganz happy mit dieser Kuschel­aufsicht. Scholz will es sich nicht mit Banken, Fonds und Versicherern verderben. Bei Altmaier ist das Kuscheln mit den Wirtschaftsprüfern noch viel schlimmer. Er zeigt nicht nur eine Nullaktivität, im Bereich Wirtschaftsprüfung richtige Reformen anzustoßen. Im Gegenteil, er bremst sie aus.

Die meisten Aufseher kommen aus der Branche. Kontrolliert die Finanzindustrie in Deutschland sich selbst?

So kann man das sehen. Nach der Bankenkrise 2008 hatte man allen Grund aufzuräumen, Verantwortliche auszutauschen. Da ist nichts passiert. Man hat über 70 Milliarden Steuergeld für die Bankenrettung ausgegeben, aber im Kern hat man nichts verändert. Jetzt passiert etwas Ähnliches wieder. Unter dem öffentlichen Druck wird ein Minimum gemacht, aber die wirklich großen Sachen werden bisher nicht angegangen.

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