Finanzkrise trifft spanischen Fußball: Träume auf Kredit
Die Finanzkrise erschüttert die Primera División wie keine andere große Liga. Kein einziges spanisches Team hat das Uefa-Cup-Achtelfinale erreicht.
Vor zehn Tagen hat es dann beim FC Valencia geknallt. Vor dem Mannschaftshotel zündeten Fans einige Feuerwerkskörper. Sie wollten, sagten sie, ihre Fußballelf endlich aufwecken. Doch als der Rauch der Kracher abzogen war, erschien der FC Valencia, Champions-League-Finalist 2000 und 2001, Uefa-Cup-Gewinner 2004, unverändert wie in Trance; 1:2 verlor man beim Letzten der spanischen Liga, Numancia. Valencia hat seit Mitte Januar von zehn Ligaspielen nur noch eines gewonnen, ist von Rang drei auf acht gestürzt, und es lässt sich nicht übersehen, dass die sportliche Implosion mit dem Großen Knall einherging. Seit acht Wochen kann der Klub seine Verträge nicht mehr erfüllen, über 15 Millionen Euro schuldet er seinen Spieler.
Die internationale Finanzkrise trifft die Primera División wie keine andere führende Liga. Auch Racing Santander und der Zweitliga-Erste Xerez bleiben Gehälter und Ablöseraten schuldig. Deportivo La Coruña verlor den Sponsor wegen Bankrotts, der Zuschauerschnitt der Liga ist um 20 Prozent eingebrochen. "Wenn es früher gar nicht mehr ging, hat die Regierung die Vereine rausgeholt", sagt La Coruñas Sportdirektor Ricardo Moar. "Vorbei. Es gibt kein Geld mehr."
Ist es da Zufall oder Symptom, dass im Uefa-Pokal, den spanische Teams so oft dominierten, zum ersten Mal seit 18 Jahren kein einziger spanischer Klub im heute beginnenden Achtelfinale steht? Die drei spanischen Vertreter, die in der dritten Runde des Cups scheiterten, waren jedenfalls just solche, die finanziell arg strapaziert sind, Valencia, Santander und La Coruña.
In ihrer Aufregung über das Geld und seine Abwesenheit verlor Valencias Elf den Kopf. "Wir befinden uns im Kampf gegen uns selbst", gesteht Verteidiger Emiliano Moretti. Draußen vor der Stadt thront halbfertig das neue Stadion. Es ist zum Symbol des Ruins geworden: Am 1. Februar wurden die Kräne angehalten. Der Verein hat 490 Millionen Euro Schulden und findet keine neuen Darlehen.
Die Geschichte des FC Valencia ist die eines Mannes, der besonders schlau sein wollte. Valencias damaliger Präsident Juan Soler rang 2005 der Bürgermeisterin die Genehmigung ab, Stadion und Trainingsgelände des Klubs in Bauland umzuwandeln. Den Boden in Innenstadtlage würde er für 4.800 Euro pro Quadratmeter verkaufen. So würde der Verein über eine halbe Milliarde Euro einstreichen. Mit dem Geld ließe sich draußen auf günstigem Brachland ein neues Stadion und Trainingszentrum bauen - und nebenbei gut 150 Millionen Gewinn machen. Da war der Immobilienmarkt längst überhitzt. Doch Valencia nahm 200 Millionen Euro Kredit auf und begann mit dem Bau. Heute drücken den Klub Gehaltskosten von 107 Millionen Euro im Jahr, er muss jeden Monat allein an Zinsen zwei Millionen abstottern. Und niemand kaufte bis heute den Boden des FC Valencia.
Bei Misswirtschaft konnten die Vereine in Spanien immer mit Großzügigkeit der Banken oder Politik rechnen. Das Finanzamt etwa toleriert 262 Millionen Euro Schulden der Profiklubs. In der Krise jedoch gibt die öffentliche Hand nicht mehr, und die Banken, selbst in Bedrängnis, fordern das Geld rigoros zurück. Wie es weitergeht, lebt Deportivo La Coruña vor, jahrelang Stammgast in der Champions League, bis die Banken vor drei Jahren bei fast 200 Millionen Euro Schulden Stopp schrien. Seitdem muss der Klub jedes Jahr die besten Spieler verkaufen, der Gehaltsetat wurde um über 40 Prozent auf 53 Millionen Euro reduziert. Allerdings verfügt Spanien über ein Meer preiswerter Qualitätsfußballer und guter Talentsucher. La Coruña fand in der zweiten französischen Liga einen Stürmer, Lassad Nouioui, "der verdient bei uns 4.500 Euro im Monat", sagt Moar, und schießt Deportivo regelmäßig zu Siegen. Das reicht zum Überleben: La Coruña ist Tabellensiebter. Aber die Klasse, um im Europapokal zu triumphieren, lässt sich so nicht halten. Träume gibt es im spanischen Fußball eben nicht mehr auf Kredit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste