Finanzkrise in Europa: Draghi auf Merkelkurs
Die Europäische Zentralbank will nicht dauerhaft Feuerwehr spielen und mahnt, die Politik müsse die Krise bewältigen. Derweil steht Frankreichs Präsident Sarkozy stark unter Druck.
BRÜSSEL taz | Die jüngste Offensive der großen Notenbanken gegen die Eurokrise wird eine Ausnahme bleiben. Die Europäische Zentralbank sei nicht bereit, ständig Feuerwehr zu spielen, sagte EZB-Chef Mario Draghi im Europaparlament in Brüssel. Es sei Aufgabe der Politik, die Krise zu lösen. Indirekt stützte Draghi damit die harte Haltung der Bundesregierung.
Am Mittwoch hatten die Zentralbanken der Eurozone, der USA und anderer großer Länder die Märkte mit Geld geflutet. Die überraschende Offensive war als Zeichen dafür gewertet worden, dass die Krise in Europa schlimmer ist als bisher angenommen. Die Europäische Union will aber erst bei ihrem Gipfeltreffen in einer Woche in Brüssel über neue Anti-Krisen-Maßnahmen beraten.
Am Freitag will Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Haltung in einer Regierungserklärung erläutern. Erwartet wird, dass sie sich für eine schärfere Überwachung der Budgetpolitik in der Eurozone und gegen Gemeinschaftsanleihen (Eurobonds) ausspricht. Die Regierungskoalition habe sich auf eine harte Haltung festgelegt, sagte FDP-Chef Philipp Rösler gestern in Berlin.
Rückendeckung bekam Merkel auch von EZB-Chef Draghi. Die Eurozone brauche eine "neue Übereinkunft in Fiskalfragen", sagte er in Anspielung auf Merkels Idee einer Fiskalunion. Danach könnten "weitere Elemente" folgen, aber "die Abfolge ist entscheidend". Indirekt schloss der Italiener damit Eurobonds für die nahe Zukunft aus, wie sie die EU-Kommission erst letzte Woche vorgeschlagen hatte.
Unklar ist, ob Merkel bei ihrer harten Linie auch auf Frankreichs Präsidenten Nicolas Sarkozy zählen kann. Sarkozy wollte seine Position Donnerstagabend bei einer Grundsatzrede in Toulon erläutern. Er hat sich zwar bereits für eine Fiskalunion ausgesprochen, könnte als Gegenleistung jedoch eine aktivere Rolle der EZB oder Eurobonds fordern.
Sarkozy war zuletzt innenpolitisch unter Druck geraten. Die sozialistische Opposition in Frankreich wirft ihm vor, Merkel zu weit entgegenzukommen. Sarkozys sozialistischer Herausforderer François Hollande hatte am Vortag in Brüssel betont: "Seit Monaten ist es Frau Merkel, die führt, und Herr Sarkozy, der folgt."
Neben Merkel und Sarkozy bereiten sich auch die EU-Offiziellen in Brüssel auf den Gipfel nächste Woche vor. Die EU-Kommission stellt sich offenbar bereits auf eine Ausweitung der Krise im Bankensektor ein: Bei der Genehmigung staatlicher Kapitalspritzen werde man keine allzu strikten Auflagen machen, sagte EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia am Donnerstag. Das gelte zumindest dann, wenn der Kapitalbedarf aus der Eurokrise resultierte und die Bank keine exzessiven Risiken eingegangen sei.
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