: Finanziell auf dem Zahnfleisch gekrochen
Sechs Monate auf Bewährung für nicht bezahlte Gebißbehandlung ■ Von Janne Schumacher
„Der Zahnarzt macht nicht mehr, als der Patient will“, glaubt Amtsrichter Hübner. Der Zahnarzt macht aber das, was nötig ist, denn die Frage der Bezahlung stellt sich ja erst nach der Behandlung. Wie zum Beispiel bei Ronald Z., der gestern wegen einer unbezahlten Zahnarztrechnung – und wegen Steuerhinterziehung – vor Gericht stand. Z. hatte sich im Frühjahr 1992 einer „Grundrenovierung seines Gebisses“ unterzogen und zwei Brücken einsetzen lassen. Das kostete 14.000 Mark, die er hinterher nicht bezahlen konnte. Dafür wurde Z. gestern vom Amtsgericht zu einer Strafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt.
Die Geschichte von Z. fängt nicht erst 1992 an, sondern bereits 1987, als er seine Abrißfirma gegründet hatte. Seitdem hat er fünfmal Steuern hinterzogen und beim Finanzamt 80.000 Mark Schulden angesammelt. Dazu kommen andere fällige Rechnungen. Im Oktober 1992 meldete er Konkurs an. In die Zahnarztpraxis war Z. durch Vermittlung einer Bekannten gekommen. Kess behauptete er, privat versichert zu sein. Seine Versicherung hatte ihm allerdings schon fünf Jahre zuvor wegen nicht bezahlter Beiträge gekündigt. Zahnarzt Dr. Nikola L. berichtet, daß er die Rechnung mehrmals angemahnt und dann telefonisch eine Ratenzahlung vorgeschlagen habe. Z. habe aber darauf nicht reagiert.
Staatsanwaltschaft und Zahnarzt sind sich schnell einig: Ronald Z. wußte zum Zeitpunkt seiner Zahnbehandlung genau, daß er die Rechnung nicht bezahlen konnte. Außerdem habe er eine gute finanzielle Lage vorgetäuscht, als er im Mercedes bei seinem Zahnarzt vorgefahren kam. Dadurch, daß er auf Empfehlung einer anderen Patientin in die Praxis kam, wollte der Angeklagte zudem ein falsches Bild von sich vorgeben, argumentierte das Gericht.
Ronald Z. sieht die Sache anders. Er habe sich einfach verschätzt, was seine Finanzen zum Zeitpunkt der Zahnbehandlung anging. Außerdem habe er dem Anwalt des Zahnarztes ja die Ratenzahlung zugesichert. Seit April dieses Jahres zahlt Ronald Z., der derzeit als angestellter Kaufmann 3000 Mark netto verdient, an seinen Zahnarzt Raten zwischen 300 und 500 Mark im Monat. Er ist dabei, seine alten Rechnungen zu begleichen und zahlt außerdem jeden Monat 500 Mark Unterhalt für seine 17jährige Tochter.
Trotz der Rückzahlungen ist der Richter sicher, daß Ronald Z. des „Betruges mit bedingtem Vorsatz“ schuldig ist, denn die Zahnbehandlung sei gar nicht nötig gewesen. Der Angeklagte müsse von seiner Überschuldung gewußt haben, und auch die Ratenzahlung erfolgte erst, nachdem er durch das Strafverfahren unter Druck geraten war. Er verurteilt Z. zu sechs Monaten auf Bewährung – die Staatsanwaltschaft hatte acht Monate gefordert. Weil Z. zur gleichen Zeit auch noch Steuern hinterzogen hat, werden die Strafen addiert: Ein Jahr und vier Monate auf Bewährung, dafür aber ein grundrenoviertes Gebiß und ein Haufen Schulden zum Abarbeiten.
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