Finale der Europa League: Rekordhalter wollen es wieder wissen
Der FC Sevilla möchte zum fünften Mal seit 2006 das Finale der Europa League gewinnen. Auch gegen Liverpool zählt nur der Pokal.
Sevilla war in der zweiten spanischen Liga gestrandet. 16 Jahre liegt der Moment zurück. Rodríguez, den im Fußball alle Welt nur unter seinem Spitznamen Monchi kennt, fasst die damalige Situation zusammen: „Der Klub war ein Desaster, und ich hatte keine Ahnung von meinem neuen Job.“
Beste Voraussetzungen für eine Erfolgsgeschichte: Am heutigen Mittwoch fordert Monchis Sevilla in Basel im Endspiel der Europa League den von Jürgen Klopp trainierten FC Liverpool heraus. Viermal in den zurückliegenden zehn Jahren hat der FC Sevilla die Europa League bereits gewonnen, das ist Europapokalrekord. Dazu eroberte Sevilla zweimal den spanischen Königspokal und steht auch in diesem Wettbewerb schon wieder im Finale, am Sonntag gegen den FC Barcelona.
Es ist ein beispielsloser Aufstieg, ohne dass der FC Sevilla deswegen zum Paradebeispiel für andere hungrige Mittelklassenklubs taugen würde: Der Verein verkaufte Transferrechte seiner Spieler illegal an den Investmentfonds Doyen. Als Präsident agierte jahrelang der Rechtsanwalt José María del Nido, der mit der Stadt Marbella fiktive Leistungen in Millionenhöhe abrechnete und nun im Gefängnis sitzt.
Bloß zwei Dinge stechen bei der Analyse des Erfolgs ins Auge: Zum einen, wie kontinuierlich Sportdirektor Monchi Klassespieler entdeckt, die Sevilla dann später für das Fünf- oder Zehnfache der Ablöse weiterverkauft. Zum anderen, dass dieser Verein, anders als so viele Spitzenklubs der Kategorie I b, mit Inbrunst verinnerlicht hat, was das Höchste der Gefühle im Fußball ist: Pokale gewinnen.
„Niemand will die Europa League so sehr wie wir“
Das klingt banal. Aber tatsächlich scheint es Vereinen wie Schalke 04 oder AS Rom das Wichtigste, sich immer wieder für die Champions League zu qualifizieren. Denn nur mit deren Startgeldern können sie ihre teuren Teams finanzieren. In der unwichtigeren Europa League spielten dann zum Beispiel Schalke oder Tottenham diese Saison blutarm; als interessiere sie der Wettbewerb nur bedingt.
In Sevilla dagegen sagt Trainer Unai Emery: „Welcher Trainer oder Spieler hat schon die Möglichkeit, in seiner Karriere ein Endspiel zu bestreiten? Wenige. Titelgewinne aber sind der größte Ausdruck des Glücks im Fußball.“ In der Europa League merkte der FC Sevilla 2006 zum ersten Mal nach Jahrzehnten, dass auch er ein Sieger sein kann. „Niemand will die Europa League so sehr wie wir“, sagt Emery.
Emery hat das wuchtige Dazwischengehen und den rasenden Angriff zum Markenzeichen der aktuellen Elf gemacht. Er ist einer dieser spanischen Trainer, die sich als Maestros sehen und die Spieler wie Figuren permanent zu taktischen Änderungsmanövern zwingen. 80 Prozent seiner Arbeitszeit verbringt er im Büro, am Bildschirm, um Strategien auszubrüten. Und gering ist seine Arbeitszeit nicht: „Ich habe mir den Mittagsschlaf am Abend angewöhnt, circa von 17 bis 18 Uhr. Danach kann ich erfrischt bis zwei Uhr morgens im Trainingszentrum weiterarbeiten“, erzählt er. Spätestens um neun in der Früh beginnt er die Arbeit. Der Mann vom Sicherheitsdienst ist der Leidtragende: Er kann erst zusperren, wenn Emery geht.
Sevillas Geschäftspolitik
Sechs seiner besten Spieler verlor der Trainer vor der Saison an potentere Klubs, darunter Torjäger Carlos Bacca an den AC Mailand. Dann kommen neue, unbekanntere Spieler, und Sevilla macht ohne Leistungseinbruch weiter. 290 Millionen Euro, zählte die Zeitung El País, verdiente Sevilla unter Monchi an Spielerverkäufen, Dani Alves etwa kam für 1,5 Millionen und ging für 35 zum FC Barcelona. „Verkaufen, um die Elf auf einem Niveau über deinen Möglichkeiten zu halten“, beschreibt Monchi seine Geschäftspolitik.
In die Kategorie der I-a-Klubs schaffte es Sevilla mit dem permanenten Neuaufbau der Elf nicht, in der Champions League überstand man erst einmal die Vorrunde. Doch als Misserfolg wird das kaum wahrgenommen, wenn ständig Pokale gewonnen werden, egal welche. Beim fünften Einzug ins Europa-League-Endspiel war es so weit, dass Monchi glaubte, er müsse sich entschuldigen – dafür, dass er nicht mehr vor Freude ausflippte. „Tut mir leid“, sagte er. „Die Tränen kommen mir diesmal leider nicht mehr.“
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