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Finale bei French OpenBeginn einer Ära

Der Sieg der Polin Iga Swiatek bei den French Open der Tennisprofis provoziert Vergleiche mit den Großen der Zunft: Justine Henin und Steffi Graf.

Muster an Beständigkeit: Tennis-Champ Iga Swiatek aus Polen Foto: Lisi Niesner/Reuters

Es war ein seltener Anblick, in der Stunde nach ihrem spektakulärsten Sieg bei diesen French Open im Bois de Boulogne. Da fingen die allgegenwärtigen Fernsehkameras Iga Swiatek auf einer Behandlungsliege in den Centre-Court-Katakomben ein, gezeichnet von den Strapazen ihres Drei-Satz-Thrillers in Runde zwei gegen Naomi Osaka.

Tränen der Erleichterung flossen, der extreme Druck war abgefallen. Swiatek hatte gerade ein mittelschweres Wunder vollbracht, einen 2:5- und 0:30-Rückstand im entscheidenden Satz aufgeholt. Bei jenen Bildern dachte man wieder an Chris Evert, die siebenmalige Roland-Garros-Gewinnerin, sie hatte über Swiatek einmal gesagt: „Die ganz Großen hassen es, zu verlieren. Sie finden fast immer einen Weg.“

Evert, die vor 50 Jahren ihren ersten Pariser Pokaltriumph feierte, stand am Samstag genau wie die große Martina Navratilova neben Swiatek, bei den Zeremonien zum nun schon vierten Königslauf der so talentierten Polin. „Es ist unglaublich, mit diesen Spielerinnen hier auf dem Podium zu sein“, sagte Swiatek in ihrer üblichen Bescheidenheit und Demut nach dem souveränen 6:2, 6:1-Endspielerfolg gegen die Italienerin Jasmine Paolini.

Dabei ist die 23-Jährige jetzt drauf und dran, sich auf Augenhöhe zu den Größen von gestern, zu den Legenden des letzten Jahrhunderts aufzuschwingen. Vier Turniersiege schon im frühen Karrierealter, zuletzt sogar ein Hattrick bei den Pariser Grand-Slam-Rutsch­übungen – wer musste da nicht unwillkürlich an Matador Rafael Nadal denken, das große Idol und Vorbild der Polin. Der Spanier hatte Swiatek unlängst, schon vor dem vierten Coup unterm Eiffelturm, als „unglaubliche Spielerin und Kämpferin“ bezeichnet.

„Ich liebe die Haltung“

Nadal und Swiatek, die gelegentlich auch in der mallorquinischen Trainingsakademie des 14-maligen Roland-Garros-Champions arbeitete, einen der absolute Siegeswille, die tiefe Leidenschaft und der unerschütterliche Glaube, immer eine Chance in jeder Spielsitua­tion zu besitzen – selbst wenn die Lage noch so aussichtslos scheint.

Beide verbindet auch, eine latente Nervosität und Unsicherheit wieder und wieder in positive Matchenergie verwandeln zu können. „Bei Rafa habe ich immer bewundert, mit welcher Entschlossenheit er jeden einzelnen Punkt spielt, als ob es der Matchball wäre. Ich liebe diese Haltung“, sagte Swia­tek. Zu Recht wird die aktuelle Sandplatzkönigin aber auch mit der grazilen, dynamischen Belgierin Justine Henin verglichen, einer Spielerin mit glühendem Ehrgeiz, enormer Zähigkeit und geschmeidiger Bewegungskunst, die auch vier Titel bei den Offenen Französischen Meisterschaften holte.

Roland Garros war im vergangenen Jahrzehnt stets für Überraschungen gut, ein Tennisraum für viele Außenseitersiege. Mit Swiatek kamen nun eine Zeitenwende und der Anspruch, eine neue Herrschaftsperiode zu etablieren – das wurde schon vor einem Jahr deutlich, als ihr als erster Akteurin seit Henin im Jahr 2006 gelang, den Titel zu verteidigen. Swiatek habe das Potenzial, eine neue Ära im Frauentennis zu begründen, meint Altmeisterin Navratilova, „vor allem, weil sie noch ein gutes Stück besser werden kann. Und den Charakter hat, auch besser werden zu wollen, Tag für Tag.“

25 Jahre nach dem letzten Grand-Slam-Triumph von Steffi Graf, seinerzeit im legendären Finale gegen Martina Hingis, erlebten die Fans mit Swiatek auch manche Graf-Momente. Denn nach dem Zweitrunden-Krimi gegen Osaka rauschte Swia­tek wie einst die ungeduldige Deutsche durchs Klassement, legte sogar einen 6:0, 6:0-Sieg im Achtelfinale gegen die Russin Potapowa hin. Schließlich wirkte das Finalmatch wie ein Spaziergang für die Polin, über die Gegnerin Paolini sagte: „Es gibt keine größere Herausforderung, als gegen Iga auf Sand zu spielen.“ In diesem Jahr – und wahrscheinlich noch sehr viele weitere Jahre.

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